Friday, December 28, 2012

Jahresrückblick




Was ist dieses Jahr eigentlich passiert? Die erste Antwort, die mir darauf in den Sinn kommt, wäre „viel“. Das beschreibt es vermutlich am Treffendsten. Ich habe neue Menschen kennen gelernt, andere aus meinem Leben verbannt, alte Freundschaften gepflegt, neue geknüpft und gestärkt, ich habe eine Beziehung angefangen und beendet. Und ich habe sehr viel gelernt. Das hört sich jetzt vermutlich sehr chaotisch an, deshalb habe ich versucht, es für euch zu systhematisieren.

Das Wichtigste zuerst: Ich studiere immer noch, allen Widrigkeiten zum Trotz. Das ist die Hauptsache, finde ich. Neben körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit und klarem Verstand natürlich. Auch wenn „körperliche Unversehrtheit“ nicht mehr ganz zutrifft, ich laufe mit einer Narbe im Gesicht herum seit ich im Sommer in eine Schlägerei verwickelt wurde.

Das Schönste, was mir dieses Jahr passiert ist…weiß ich nicht. Ich habe mich dieses Jahr eher an verschiedenen kleinen Dingen erfreut, als an einem großen Ereignis.

Das Traurigste war wohl die Trennung von meiner damaligen Freundin. Darauf möchte ich nicht näher eingehen, das war eine Sache zwischen uns beiden. Sagen wir einfach, dass diese Trennung recht unerwartet kam und nicht ganz sauber ablief.

Genug von mir. Meine Familie hat Zuwachs bekommen, aber gleichzeitig auch nicht. Denn die Frau, die ich seit Anfang diesen Jahres „Schwesterherz“ nenne, ist nicht mit mir verwandt.
Vor zwei Jahren, als ich mich zum ersten Mal mit ihr unterhalten habe, ging es nur darum, dass sie mein Manuskript liest, und ich im Gegenzug ihres. Nach und nach hat sich dann aus dieser "Arbeitsbeziehung" eine tiefe Freundschaft entwickelt und auch wenn wir uns ab und an streiten oder streitähnliche Diskussionen führen, sind wir am Ende für einander da und stehen uns in schweren Zeiten bei. Wie Geschwister halt.

A propos Entwicklung von Freundschaft: Ich habe in diesem Jahr zu spüren bekommen, wie mächtig das Internet eigentlich ist, wenn es darum geht, Kontakte zu knüpfen. Ich habe mehrmals Menschen besucht, die ich vorher noch nie gesehen habe, und von denen ich bisher nur Anzeigebilder und Nicknames kannte. Eben weil wir uns nur online unterhalten haben.

Und wenn wir schon vom Internet sprechen: yatu lebt! Das Sci-Fi-Schreibprojekt, an dem ich beteiligt bin, und das auf einem Blog im Internet abrufbar ist, hat sich von einer Phase der Inaktivität erholt und wir haben gegen Ende des Jahres wieder regulären Betrieb aufnehmen können. Wir haben sogar ein neues Mitglied im Projekt begrüßen können, womit wir wieder zu dritt sind.

Aber yatu ist nicht das Einzige, was ich geschrieben habe. Insgesamt sind dieses Jahr vier Werke entstanden. Ein kurzer Liebesthriller namens „Das Archiv“, „Initiation“, die Vorgeschichte von einem yatu-Charakter, „Vagabund“, die Geschichte von einem Mann, der sich selbst zu finden versucht sowie mein noch unfertiges NaNo-Werk. Ja, ich habe auch dieses Jahr wieder am National Novel Writing Month teilgenommen. Am Sommerableger, dem campnano, habe ich mich auch versucht, bin jedoch nicht weit gekommen.

Zu meiner Schande habe ich nicht allzu viel in diesem Jahr gelesen, aber ich würde „Wenn es regnet“ von Sarah M. Kempen als mein persönliches Buch des Jahres bezeichnen. Sucht nicht danach in Buchhandlungen, diese Frau ist noch unveröffentlicht, ich habe lediglich das Manuskript gelesen. Trotzdem finde ich das Buch besser, als so manche Papierverschwendung, die in einigen Buchhandlungen zum Verkauf bereit steht.

Einen Film des Jahres habe ich dieses Jahr nicht gehabt, auch wenn ich einige gesehen und manche sogar rezensiert habe.

Ich habe allerdings nicht nur neue Bücher gelesen und neue Filme gesehen, sondern auch neue Musik gehört. Meine wichtigste musikalische Neuentdeckung dieses Jahr war zweifellos die russische Metal-Band „HMKids“, die Lieder zum Warhammer 40k Universum produzieren. Und sie machen ihre Arbeit wirklich gut. "Prospero", eins ihrer Lieder, welches sich mit dem Schicksal der "Thousand Sons" beschäftigt (ich berichtete), erzählt deren Geschichte zum Beispiel viel besser, als das gleichnamige Buch von Graham McNeill. Und vor allem kürzer.

Pläne für 2013? Vor allem versuchen, das Studium abzuschließen und weiter am yatu-Projekt zu arbeiten. Der Rest wird sich dann im nächsten Jahr zeigen.


Friday, November 2, 2012

Roh und unzensiert

Ahoi, Leute!

Viele haben sich vermutlich gefragt, was ich in letzter Zeit so treibe. Die Antwort ist einfach: Studium, yatu und zwei Filmreviews, nach Zeitaufwand sortiert. Naja, nicht ganz. Gestern hat der National Novel Writing Month angefangen. Dort geht es daruim, innerhalb eines ganzen Monats (01.-30.11) einen Roman zu schreiben, der 50000 Wörter oder mehr umfasst.

Ich habe diesbezüglich zwei Dinge für euch.

1.) Einen von mir geschriebenen Pep-Talk, also eine Art Motivationsschreiben, was euch zum weitermachen motivieren soll. Hier ist das gute Stück:

 Ich will euch eine Geschichte erzählen. Es gab da einen jungen Mann,
sein Name war Wrimo. Und jedes Jahr pünktlich am ersten November,
machte er sich auf, um in ein fernes Land zu reisen. Ein Land, was
niemand zuvor betreten hatte. Wrimo wollte dieses Land erkunden, es
beschreiben und kartographieren. Einige Dinge, die er bereits wusste,
hatte er in einem kleinen Notizbüchlein gesammelt, etwa die
voraussichtlichen Meilensteine seiner Etappe, Informationen über
Weggabelungen und Kurven, außerdem eine Liste von Personen, denen er
begegnen wollte. Manchen wollte er helfen, andere wollte er töten.
Dies war unvermeidlich, damit er seine Reise fortsetzen konnte. Als er
das Land betrat, nickte er zufrieden. Es sah alles genau so aus, wie
er erwartet hatte. Er beschrieb, beobachtete und legte dann eine Rast
ein, kaum hatte er das Ziel erreicht, das er sich für den ersten Tag
gesetzt hatte. Am zweiten Tag bemerkte er, dass er beschattet wurde.
Er zückte seinen Kugelschreiber, das Einzige, was ihm als Waffe dienen
konnte, und drehte sich um.
„Warum folgst du mir, Fremder?“, wollte er wissen, während er den Baum
beäugte, hinter dem er die Person vermutete. Ein verhaltenes Lachen
antwortete ihm, und im nächsten Moment trat eine Frau aus dem
Versteck. Sie trug einen Umhang aus einer undefinierbaren,
schillernden Farbe, die ständig wechselte, die Spitzen, welche im Wind
wehten, schienen mit der Umgebung zu verschmelzen. Sie hatte eine
Kapuze aufgesetzt, so tief, dass man nur Dunkelheit anstelle eines
Gesichts sah.
„Ich passe auf dich auf“, entgegnete die Frau. Wrimo runzelte die
Stirn. Er brauchte keinen Beschützer, dieses Land barg keine Gefahren
für ihn. Zumindest das wusste er sicher.
„Indem du mich verfolgst?“, wollte er wissen. Sie nickte.
„Das habe ich schon immer. Du hättest mich vermutlich überhaupt nicht
bemerkt, wenn ich mich nicht entschlossen hätte, mich dir zu
offenbaren.“
„Warum das?“, fragte Wrimo. Er glaubte der Frau kein Wort.
„Um dich zu warnen. Die Reise ist nicht so berechenbar, wie du es dir
vorstellst. Du wirst bald feststellen, dass der Weg, den du gehst,
uneben ist, und voller Fallen. Schilder mit verlockenden Angeboten
werden dich fehlleiten, und ich fürchte, es wird dir erst auffallen,
wenn du schon ein ganzes Stück gewandert bist, und nicht mehr zurück
kannst. Denn wenn du zurückkehrst und einen anderen Weg gehst, wirst
du nicht mehr rechtzeitig zum Ziel kommen. Außerdem werden Probleme,
die den Menschen hier auferlegt wurden, schneller gelöst, als du es
aufschreiben kannst, oder sie erwachsen zu monumentalen Hindernissen,
an denen die Helden zerbrechen. Deine Karte vom Weg ist auch
unzuverlässig. Manche Abschnitte sind kürzer, als du dir das
vorstellst, somit kann es sein, dass du dein Tagesziel nicht
erreichst.“
Das waren keine rosigen Aussichten für Wrimo. Wollte diese Frau ihn
von seinem weiteren Weg abbringen?
„Warum sagst du mir das alles?“
„Weil ich möchte, dass du dir darüber im Klaren bist, dass dieser Weg
nicht leicht ist. Doch du kannst es mit meiner Hilfe schaffen. Wann
auch immer du dich mit einem Problem auf deiner Reise konfrontiert
siehst, sei zuversichtlich, dass du es lösen kannst. Du bist der Herr
dieser Welt. Es gibt immer einen Ausweg, solange du gewillt bist, ihn
zu suchen. Oder einen Weg, der um das Hindernis herum führt. Und wenn
du dein Tagesziel einmal nicht erreichst, dann wanderst du am nächsten
Tag halt schneller. Wenn du alleine nicht weiter kommst, werde ich
eingreifen und dir Lösungen aufzeigen, doch du wirst mein Eingreifen
nicht bemerken“, erklärte sie, dann machte sie einen Schritt zurück.
„Ich muss jetzt gehen. Aber schau mal hoch“, fügte sie hinzu. Wrimo
warf einen Blick auf den Himmel, und bemerkte, dass etwas seine Sicht
trübte. Er griff nach dem Hinderniss, zog es vor seinen Körper und
betrachtete es kurz. Dann lächelte er, und lies den Gegenstand los,
woraufhin er wieder an seinen ursprünglichen Platz über Wrimos Schädel
zurück kehrte.
„Ich weiß zwar schon genug, aber eine Frage habe ich noch. Was macht
diese Glühbirne über deinem Kopf?“, wollte er wissen.
„Sie leuchtet, wenn es dunkel wird, und liefert dir Ideen“, sagte die
Frau, und begann, sich langsam in Luft aufzulösen.
„Verrat mir zum Abschied doch deinen Namen“, bat Wrimo.
Der Kopf, der inzwischen als einziger übrig geblieben war, nickte.
„Ich habe viele Namen. Aber die meisten nennen mich...“, sie legte
eine kurze Pause ein, „...Inspiration.“
Dann verschwand sie vollständig.

Ich habe euch diese Geschichte nun erzählt, wie sie mir überliefert
wurde, so dass auch ihr sie weiterverbreiten könnt. Und seit gewiss,
die Inspiration wacht über uns alle, und im richtigen Augenblick wird
sie uns Ideen schicken.


2.) Das erste Kapitel des NaNo-Romans. Es ist zwar fertig geschrieben, aber noch völlig roh, nicht überarbeitet und unzensiert. Genießt es trotzdem. Versucht es zumindest:



Kapitel 1 Unter Brüdern

Wasser. Wasser, soweit das Auge reicht. Es glänzt unter mir im Licht der Sonne, als würde das Meer aus Glühwürmchen bestehen. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es ist so schön, und doch unbehaglich. Ich bin es gewöhnt, festen Boden unter meinen Füßen zu haben. Im Moment ist es nur die fragile Hülle eines Transporters. Vielleicht mögen wir von der Ymir deshalb auch keine Fluggeräte: Wir wollen einfach nicht fallen. Zumindest nicht tief. Außerdem ist man in der Luft eventuellen Feinden schutzlos ausgeliefert. Am Boden kann man sich zum Beispiel aus dem Wrack eines Fahrzeugs befreien, wenn man angegriffen wurde. Wenn man einen Angriff in der Luft überlebt, wird man von der Schwerkraft erledigt.
„Alpha?“, kommt eine Stimme aus dem Cockpit. Ich stehe auf und bewege mich zum Piloten.
„Ja, Olaf?“, entgegne ich und lege dem Piloten meine Hand auf die Schulter.
„Wir wurden gerade von der Leviathan angefunkt. Sie verlangen eine Identifikation“, erklärt er und löst einen kleinen, schwarzen Gegenstand vom Armaturenbrett.
„Mein Name ist Björn, ich bin Gesandter des Carriers Ymir: Wir erbitten Landefreigabe.“
Ein kurzes Schweigen an der anderen Leitung, dann die Antwort.
„Erteilt. Station 26, auf dem Oberdeck.“
„Verstanden“, antworte ich. Irgendwie fühle ich mich wohler, wenn ich stehe. Vielleicht, weil man im Stehen besser reagieren kann. Auch wenn es im Flugzeug keinen Unterschied ist. Ich bemerke, wie ich die ganze Zeit mit meinen Fingerspitzen gegen die Rücklehne des Pilotensitzes geklopft habe. Warum bin ich bloß so nervös? Liegt es am Fliegen? Es ist nicht mein erstes Mal. Möglicherweise liegt es am Bestimmungsort. Die Ymir war noch nie gut auf diese ominöse Carrier-Bruderschaft zu sprechen gewesen. Sie denken, sie sind die mächtigsten, nur weil sie eine Söldnerarmee hinter sich haben. Aber zu wenige Ressourcen, um sie aufrecht zu erhalten, weshalb sie sich die Rohstoffe einfach von Anderen nehmen. Nomaden zum Beispiel. Eine merkwürdige Logik. Sie leben im Wohlstand, aber nur auf Kosten Anderer. Überfälle auf unsere Minen, vermutlich durchgeführt von Söldnern unter der Federführung der Bruderschaft, waren schließlich auch der Grund für den Bau des Stählernen Walls. Und wegen ihm sind wir hier, nehme ich an. Meine Hand greift zur Klinge, die an meinem Gürtel befestigt ist. Wir werden uns nicht rechtfertigen. Vor niemandem! Am Horizont wird langsam eine Insel erkennbar. Oder zumindest etwas, was einer Insel ähnelt, denn das Gebilde, was da auf dem Wasser schwebt, ist von der Form her viel zu regelmäßig, um natürlichen Ursprungs zu sein. Tatsächlich. Als wir näher kommen, bemerke ich, dass die Insel aus Metall ist. Ein Wall umgibt sie von allen vier Seiten, wahrscheinlich ein Schutz gegen die Wellen. Ich blicke auf Hangars, Rollfelder und Kontrolltürme. Außerdem sehe ich Reihen von Runden Abdeckungen, die die selbe Farbe haben, wie der Rest der Oberfläche. Raketenbatterien. Wozu macht man sich die Mühe, sie zu verstecken? Wäre es nicht wesentlich effektiver, alle Waffen offen zur Schau zu stellen, um den Gegner einzuschüchtern? Der Platz, der uns zugeteilt wurde, befindet sich am äußersten Ende der Ansammlung leuchtender Kreise. Das muss der Bereich des Carriers sein, der für Senkrechtstarter reserviert ist. Einige Leute haben sich versammelt. Anscheinend ist dies eine Art Ehrengarde. Ich greife an meinen Gürtel und hole eine weiße Schiene mit zwei Zacken hervor, dann schiebe ich sie mir in den Mund. Dieses Ding ist das Erkennungsmerkmal unseres Clans. Wenn ich jetzt den Mund öffne, sieht man nur zwei lange, weiße Zähne. Mit der richtigen Grimasse kann dies ziemlich einschüchternd sein. Außerdem ist es ein Mundschutz. Jeder Ymirit hat so einen und setzt ihn immer auf, wenn er in den Kampf zieht.
Ich werfe einen letzten Blick auf die Wellen vor mir, dann drehe ich dem Cockpit den Rücken zu und warte darauf, dass sich die Heckklappe öffnet. Wie von allein gleitet meine Hand wieder zu meiner Klinge. Ich hatte recht. Die Leute von der Leviathan haben tatsächlich ein Begrüßungskommitee zusammen getrommelt. Zehn Soldaten, alle in einer Schwarzen Uniform, die von grauen Linien durchzogen wird. Sie stehen in zwei Reihen, das Gesicht zum Flieger gerichtet. Am anderen Ende dieser menschlichen Gasse steht ein Mann und stützt sich auf seinen Krückstock. Als ich den Transporter verlasse, bemerke ich, dass sich in einigem Abstand Schaulustige versammelt haben. Kein Wunder, Menschen von der Ymir sind hier selten, und erst recht keine so gut aussehenden. Als ich die ersten Soldaten passiere, bemerke ich, dass sie sich umdrehen, und in die entgegengesetzte Richtung schauen. Als würden sie mich beobachten.
Es dauert nicht lange, bis ich den alten Mann erreiche, der anscheinend den Trupp anführt.
„Wir hatten Kommandant Leif persönlich erwartet“, sagt er mit heiserer Stimme. Was ist das für eine Begrüßung?
„Stattdessen habt ihr mich. Was macht es für einen Unterschied?“, will ich wissen, während ich die Arme verschränke und mich demonstrativ vor ihm aufbaue.
„Spar dir die Drohgebärden für später auf“, sagt der Kerl, dann dreht er sich um und geht.
Ich folge ihm in einigem Abstand, meine Hand ruht stets an meiner Klinge. Ich bin auf feindlichem Gebiet, also werde ich mich nicht benehmen, wie ein Freund. Man führt mich quer über die Landebahn. Auf einmal öffnet sich direkt vor unserer Nase ein Spalt im Boden, zwei Platten, identisch gefärbt, wie die Landebahn, schieben sich zur Seite und geben den Blick auf eine Treppe frei, die nach unten führt. Warum zum Teufel müssen diese Leute immer alles verbergen? Bei uns gibt es ein Sprichwort diesbezüglich: „Der Carrier ist der Spiegel zur Seele“. Unserer ist groß, stark und stellt alles zur Schau, was er besitzt. Dieser hier ist unförmig und verbirgt alles, was man nur verbergen kann. Niederträchtig. Unten stehen weitere Soldaten, alle ähnlich angezogen, wie das Empfangskommitee, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass sie nicht ihre Standartuniform tragen.
Man führt mich in einen Konferenzraum. Gegenüber der Tür befindet sich eine holographische Projektion einer Unterwasserlandschaft. Davor stehen einige Tische, die in einem Halbkreis aufgestellt sind. Die zwei Enden zeigen in meine Richtung. Außer mir befinden sich nur drei weitere Personen im Raum. Eine Frau mittleren Alters mit lila Haaren und einem schwarzen Mantel, der einen überdimensionierten Kragen hat, sowie einen bärtigen, groß gewachsenen Mann.
„Wo sind die Abgesandten der Titanen?“, frage ich. Der alte Mann zuckt mit den Schultern.
„Was macht das für einen Unterschied, ob du uns Rede und Antwort stehst, oder denen?“, fragt er.
Rede und Antwort stehen? Ich stehe niemandem Rede und Antwort.
„Erlaube mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Hiob, ich bin Kommandant des Carriers Behemoth, dies ist Viola von der Nephilim und zu meiner Rechten befindet sich unser Gastgeber, Jonathan, Kommandant der Leviathan.“
Ich nicke kurz. Mich interessiert nicht, wer mir gegenüber steht, mich interessiert, was diese Leute wollen.
„Warum bin ich hier?“
„Damit wir gewisse...Maßnahmen deines Carriers begreifen“, erklärt Hiob.
„So, so. Welche wären das?“
Hiob lehnt sich zurück und formt mit seinen knöchrigen Fingern eine Pyramide.
„Letzte Woche ist einer unserer Konvois einem...wie nennen sie es...ach ja, Wolfsrudel ihres Carriers zum Opfer gefallen.“
Ich schüttle den Kopf.
„Das waren Späher!“, entgegne ich . Hiob kneift seine Augen zusammen.
„Späher, getarnt als Schwerlasttransporter?“
„Im Laderaum kann man hervorragend Sensoren unterbringen!“, unterbreche ich ihn.
„Aber dafür ist man jeglichem Angriff schutzlos ausgeliefert.“
„Nicht, wenn man über genügend Luftunterstützung verfügt. Oder gehörten die zwei Jäger, die wir vom Himmel geholt haben, etwa nicht ihnen?“, entgegne ich.
„Sie gehörten einer Söldnergruppe an, die in der Vergangenheit mit uns zusammengearbeitet hat. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Behemoth die Ausrüstung für unsere...Hilfstruppen stellt“, sagt Viola in einem beeindruckend ruhigem Ton. Ja. Diese Tatsache ist mir bekannt.
„Greifen diese Söldner deshalb nur Minen an, die uns gehörten?“
Viola schüttelt den Kopf. „Deshalb wurden sie entlassen.“
„Ich glaube ihnen nicht!“
Hiob zuckt mit den Schultern.
„Das steht dir frei. Wir, und damit meine ich die gesamte Bruderschaft, sind sehr besorgt über die Politik ihrer Führung. Durch Angriffe auf zivile Fahrzeuge und militärische Ziele der Bruderschaft machen sie sich nicht beliebt.“
„Das gilt auch für ihre Spionageaktionen.“
„Was hätten wir auskundschaften sollen, an einem Ort mitten im vereisten Niemandsland?“
Ich öffne meinen Mund zum Sprechen, doch dann halte ich inne. In dem Gebiet, wo wir den vermeintlichen Transporter gefunden haben, befindet sich eins unserer geheimen Projekte. Eigentlich hätte niemand davon erfahren sollen, was sich dort befindet. Deshalb haben wir nicht gezögert, sondern den Schwerlasttransporter, der sich angeblich bloß verfahren hat, ohne zu Zögern zerstört. Ebenso die beiden Jäger, die wahrscheinlich geschickt wurden, um nach dem Späher zu sehen. Jetzt darf ich bloß nicht die Information preisgeben, die sie erbeuten wollten. Ich bemerke, dass Hiob mich gespannt anschaut. Er wartet nur darauf, dass ich mich verplappere. Aber das wird nicht passieren, dafür beherrsche ich mich zu gut.
Plötzlich klappt sich der Tisch vor Jonathan auf und ein Monitor kommt zum Vorschein. Wie viel wollen diese Leute noch verstecken? Der Kommandant des Carriers wirft einen kurzen Blick auf die Anzeige, dann runzelt er die Stirn.
„Sagen sie...“, er hält inne, weil er meinen Namen nicht kennt.
„Björn. Oder ehrenwerter Alpha, wenn sie mich beim Rang nennen wollen“, erwidere ich und strecke die Arme etwas vom Körper, wodurch ich muskulöser wirke, als ich eigentlich bin.
Jonathan lässt sich nichts anmerken.
„Warum haben sie uns nicht darüber informiert, dass weitere Ymiriten ihnen folgen?“
„Was?“
„Drei Transporter sind soeben auf unserem Radar erschienen. Sie haben Landefreigabe erbeten und drei gültige Kennungen übermittelt. Wie wollen wir verfahren, Alpha?“
Mir entgeht der leicht amüsierte Tonfall nicht, mit dem er das Wort „Alpha“ ausspricht. Das wird er noch bereuen, nachdem ich herausgefunden habe, was die Verstärkung von der Ymir hier will. Zweifelt Leif an meinen Fähigkeiten? Warum setzt er sich dann nicht mit mir in Verbindung? Und warum schickt er gleich drei Transporter?
„Möglicherweise sind dies Händler“, wirft Viola ein. Jonathan schüttelt den Kopf.
„Wir erwarten keine Händler von der Ymir
„Lassen wir sie landen“, sagt Hiob. Jonathan nickt.
„Wie ihr wünscht.“
„Kommandant Hiob. Wir wissen nicht, was sich an Bord dieser Transporter befindet“, sagt Viola.
Er nickt. „Das ist wahr. Aber wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass sich darin etwas befindet, was uns gefährlich werden könnte. Oder?“, sagt er und dreht sich zu mir. Ich schüttle den Kopf. Jonathan steht auf.
„Würden sie mich begleiten, Björn? Ich bin sicher, die Mitglieder des Rudels werden hoch erfreut sein, zu sehen, dass ihr Alphatier am Leben ist.“
Ich balle meine Faust und beobachte aus dem Augenwinkel, wie eine der Wachen, die bisher unauffällig an der Tür gelehnt haben, ihr Gewehr etwas fester umklammert. Der Mann hat Angst. Das sollte er auch. Wir von der Ymir sind berüchtigt für unsere Wildheit und unseren Kampfgeist. Das kann er nicht ausgleichen, auch nicht durch bessere Bewaffnung. Denn was nützt eine Waffe, wenn man nicht bereit ist, sie zu benutzen? Ich werfe ihm einen grimmigen Blick zu und beobachte amüsiert, dass er seine Finger noch fester an die Waffe klammert (klingt scheiße, ändern).
Ich folge Jonathan aus dem Raum, im Vorbeigehen fletsche ich meine künstlichen Zähne dem verängstigten Soldaten entgegen.
Wir gehen den selben Weg, den wir gekommen sind, dann hinauf zur Treppe. Die Transporter sind bereits in Sichtweite, man hört das Tösen ihrer Triebwerke. Ich bemerke, dass inzwischen mehr Soldaten an Deck gekommen sind, sie haben schwarze Uniformen an, die in regelmäßigen Abständen von blauen Linien durchzogen werden. Also ist dies die wahre Uniform.
Einer der Transporter beginnt den Landeanflug. Er sieht aus, wie ein Keil, an dem in regelmäßigen Abständen Triebwerke befestigt sind. Diese Fluggeräte sind auf größere Lasten ausgelegt, als der Flieger, der mich hierher gebracht hat. Langsam öffnet sich die Frachtluke, und ein Jeep fährt heraus. Das sind Fahrzeuge des Wolf-Typs, aber irgendwie sehen sie nicht so aus wie diejenigen, die von der Ymir verwendet werden. Kaum hat das Fahrzeug den Transporter verlassen, folgt ein zweites, dann ein drittes. Auch die zwei anderen Fluggeräte haben die selbe Fracht.
„Was geht hier vor?“, will Jonathan wissen, doch ich habe keine Zeit zum Antworten, denn im nächsten Moment eröffnet einer der Jeeps das Feuer. Sofort gehen einige Soldaten von der Leviathan zu Boden. Ich ziehe meine Klinge, doch bevor ich mich versehe, spüre ich Jonathans Waffe an der Schläfe. Gleichzeitig hebt er seinen anderen Arm. Ein Gerät wird an einem Unterarm sichtbar. „Fracht hoch“, sagt er. Im nächsten Moment rast einer der Jeeps direkt auf uns zu, an seiner Stoßstange ist eine Schaufel angebracht, die mit Stacheln verziert ist. Jonathan richtet seine Waffe auf den Wolf. Ich bemerke erstaunt, dass es eine Armbrust ist, das Erkennungszeichen aller Soldaten der Behemoth. Anscheinend auch der Leviathan. Ein kurzes Zischen ertönt. Ich sehe das Projektil nicht, aber die Explosion, die das Fahrzeug in einen Feuerball hüllt, überzeugt mich davon, dass er getroffen hat. Sekundenbruchteile später fliegt die brennende Karosserie über unseren Köpfen hinweg. Aus dem Augenwinkel erhasche ich eine Bewegung. (Hier muss noch was hin!) Ein kurzer Blick zu Jonathan. Er hat sich umgedreht und blickt auf das brennende Wrack. Sofort nutze ich meine Chance und springe zur Seite, gerade als sich etwas aus dem Boden erhebt. Augenblicke später bin ich im Liegen auf der Höhe von Jonathans Kopf. Hier oben wird er nicht nach mir suchen, das heißt, ich bin sicher. Schade, dass ich keine Gewehre oder Ähnliches dabei habe. Mein Blick gleitet zu Jonathans Armbrust. Eine wunderbare Waffe. So klein und unscheinbar, aber doch so mächtig, was vor allen Dingen an den vielfältigen Modifikationsmöglichkeiten für die Geschosse liegt. Eben hat Jonathan zum Beispiel ein Hochexplosivgeschoss verwendet. Derweil sind entlang des gesamten Decks Container aus dem Boden gewachsen. Ein genialer taktischer Zug, es erschwert das Manövrieren, verlangsamt somit die Wölfe, die sonst vor allem durch ihre Schnelligkeit punkten, außerdem bietet es zusätzliche Deckung. Für Infanterie, aber auch für mich. Irgendwo weiter hinten sticht plötzlich eine Flamme in den Himmel, mehrere Sekunden später erhebt sich ein weiterer Container an derselben Stelle. Anscheinend war der Wolf zu schnell unterwegs. Plötzlich höre ich unter mir Schritte. Zwei Soldaten lehnen sich an meinen Container. Sofort zücke ich meine Klinge. Wenn ich da jetzt herunter springe, habe ich die Beiden erledigt, ehe sie mich überhaupt bemerken. Auf einmal kommt ein Wolf mit quietschenden Reifen zum Stehen. Ich sehe das sadistische Grinsen des Schützen, als er seine Waffe auf die beiden Soldaten richtet. Ein Grinsen gleitet über meine Lippen. Das ist die Blutrache für die zerstörten Wölfe. Doch dann bemerke ich, dass sich das Geschütz von der Standartausrüstung der Fahrzeuge der Ymir befindet. Statt der gewohnten sechs Läufe einer Gatling sehe ich einen einzigen dicken Zylinder ohne Mündung. Irgendetwas an der Spitze leuchtet kurz auf, ich sehe Blut aus den Leibern der Soldaten spritzen, dann gehen sie zu Boden. Kein Knall, kein Mündungsfeuer, aber doch fliegt eine Hülse nach hinten? Das müssen Laserpatronenwaffen sein. Und die benutzt niemand auf der Ymir. Schlagartig wird mir alles klar. Das sind gar keine Ymiriten. Das sind unbekannte Angreifer, die sich als Leute von der Ymir ausgeben. Sie werden den Ruf des Carriers nicht...was war das?
Etwas ist gerade gegen den Container geprallt. Im nächsten Moment sehe ich zwei metallische Klauen, die sich langsam empor quälen. Meine Klinge beginnt zu surren, als die beiden Sägeblätter, aus denen sie besteht, anfangen, zu rotieren. Mit einem Satz bin ich am Rand des Containers und beuge mich herab. Ein Kampfroboter klettert an der Wand empor. Den zwei Klauen, in denen je ein beeindruckend großes Rohr verborgen ist, und dem flachen Panzer auf dem Rücken zu urteilen ist es eine Krabbe, ein Kampfroboter, der von Forschern der Leviathan entwickelt wurde. Eine der Klauen bewegt sich auf mich zu. Sofort lege ich mich flach auf den Boden, strecke die Klinge nach unten und sehe den Funken zu, die aus dem Metall fliegen, als sich meine Waffe mit einem hungrigen Kreischen in den Roboterarm bohrt. Im nächsten Moment fällt die Klaue zu Boden. Gerade rechtzeitig, denn der andere Arm des Roboters hat mich derweil erfasst. Ich kann meinen Kopf gerade rechtzeitig aus der Schussbahn nehmen, und eine Salve Projektile jagt in den Himmel, jedes verursacht einen kurzen Luftzug an meinen Haaren. Sofort reift in mir ein Plan. Mein Hirn will gerade protestieren, aber ich gebe ihm nicht genug Zeit dafür, sondern rolle mich über den Rand des Containers. Es ist eine Punktlandung. Ich lande direkt auf der Sensorscheibe des Roboters. Normalerweise zeigt sie nach vorne und ist sie durch den Panzer nach oben hin abgeschirmt, doch da der Roboter senkrecht steht, zeigen die Sensoren zum Himmel. Nun, da ich auf ihnen stehe, sind sie blockiert. Ich hocke mich hin, hebe die Klinge hoch, dann stoße ich sie mitten in die Scheibe und blende das Ding somit. Zur Sicherheit schlage ich auch noch den zweiten Waffenarm ab. Dann springe ich vom Container. Es wird Zeit, aktiv in den Kampf einzugreifen. Ich nehme die beiden Waffen der gefallenen Leviathan-Soldaten an mich. Naja, eigentlich eine, aber ich nehme die Munition der anderen Waffe auch mit. Sicher ist sicher. Vorsichtig bewege ich mich entlang der Container, stets darauf bedacht, alles zu erschießen, was sich bewegt. Egal, ob es zur Leviathan oder zu den unbekannten Angreifern gehört. Ich werde den Carrier wahrscheinlich sowieso nicht lebend verlassen, also nehme ich möglichst viele Feinde mit, bevor es mich erwischt. Ein Soldat von der Leviathan kommt hinter der Deckung hervor. Ich reiße instinktiv mein Gewhr hoch, und im nächsten Moment erscheint ein roter Fleck auf der Brust meines Gegners, der sogleich durch ein blutiges Loch ersetzt wird. Ich knurre angewidert. Also habe ich eine Laserpatronenwaffe erwischt. Verdammt. Ich konnte diese Geräte nie ausstehen. Sie überhitzen mir zu schnell. Auf einmal fällt mein Blick auf einen silbrigen Gegenstand, der am Gürtel des toten Soldaten befestigt ist. Mit einem Grinsen hebe ich die Armbrust auf. Dann bemerke ich einen Wolf in einiger Ferne, der gerade Infanteristen niederschießt. Der Schütze hat mir den Rücken zugedreht. Perfekt. Ich reiße die Armbrust hoch, ziele kurz und schieße dann. Zu meiner Überraschung zieht der Pfeil ein Seil hinter sich her. Sofort, als er sich ins Fleisch des Ahnungslosen gebohrt hat, aktiviert sich der Rückspulmodus, der normalerweise dazu gedacht ist, den Benutzer zum Beispiel an Wänden emporzuziehen. Da der Enterhaken nun jedoch nur unzureichend Halt gefunden hat, kommt nun die zweite Funktion des Rückspulmechanismus zum Einsatz. Er holt den Haken wieder ein. Mitsamt der Wirbelsäule des Gegners, denn die Greifhaken haben sich offenbar tiefer in sein Fleisch gebohrt, als ich angenommen habe. Sofort lasse ich den Haken los, denn ich möchte nicht sterben, indem ich von einer fremden, abgetrennten Wirbelsäule erschlagen werde. Der Knochen fällt zu Boden. Ich atme erleichtert auf und halte Inne. Es sind keine Kampfgeräusche zu hören, der Angriff wurde also zurückgeschlagen…die Wand aus Feuer kommt völlig überraschend. Sofort weiche ich einen Schritt zurück und schaue mich nach dem Ursprung um. Schnell werde ich fündig. Eine Krabbe steht auf einem der Container, den Panzer hat sie aufgeklappt und somit vier rohre enthüllt. Raketenwerfer. „Keine Bewegung!“, ruft plötzlich jemand und ehe ich mich versehe, bin ich von Soldaten umstellt. Im nächsten Moment hört meine Waffe auf zu surren. Als ich meine Hand anschaue stelle ich fest, dass ich nur noch den Griff in der Hand halte. Der Rest wurde mir wohl von einem Laser weggeschossen. Zwei der Soldaten treten kurz zur Seite und machen Platz für Hiob und Jonathan. Violet folgt ihnen in einigem Abstand. Ich kann sehen, dass Jonathans Augen vor Wut brennen.
„Was zum Teufel sollte das?“, brüllt er mir entgegen, während er sich mit schnellen Schritten auf mich zu bewegt. Ich knacke mit meinen Fingerknöcheln. Wenn er einen Kampf will, soll er ihn kriegen. Aber vorher wird er die Wahrheit erfahren.
„Das waren wir nicht! Niemand von der Ymir benutzt Laserpatronen!“
„Und niemand außer der Ymir besitzt Wölfe!“, erwidert Jonathan. Niemand außer die unzähligen Nomadenstämme, denen wir diese Fahrzeuge ebenfalls verkauft haben. Aber davon sollte niemand etwas wissen. Natürlich! Jetzt macht alles einen Sinn. Einer dieser Nomadenstämme war anscheinend eine Söldnergruppe, die diese Fahrzeuge aufgerüstet hat und sich nun als Ymiriten ausgibt.
„Was eben passiert ist, ist ein Akt grundloser Aggression gegen einen Carrier. Und das während einer Verhandlung. Wir werden unsere Truppen in Alarmbereitschaft versetzen und jeglichen Kontakt mit ihrem Carrier beenden!“, sagt Jonathan, dann dreht er sich um und geht.
Hiob baut sich vor mir auf, ein überlegenes Grinsen umspielt seine Lippen. Sofort wird mir alles klar.
„Du weißt, dass das keine Ymiriten sind, oder?“, flüstere ich entsetzt.
Er nickt.
„Natürlich weiß ich das!“, sagt er, und im nächsten Moment sehe ich in den Lauf einer Waffe.





Thursday, September 13, 2012

yatu lebt!




Gestern ist ein seit langer Zeit ein neuer yatu-Post heraus gekommen. Davor hörte man ein halbes Jahr lang nur sporadisch von dem Projekt, alle zwei oder drei Monate erschien ein neuer Beitrag. Der Grund hierfür liegt in der Struktur des Projekts.
Wie ich in einem meiner vorhergegangenen Blogposts bereits erklärt habe, lebt yatu von Interaktionen. Jeder kontrolliert nur eine Partei in diesem System. Die Story, die Geschehnisse dieses Systems, ist nicht vorgeschrieben sondern entsteht spontan, durch Aktionen und Interaktionen der jeweiligen Parteien untereinander. Aber was passiert, wenn eine Partei nicht reagiert? Was passiert, wenn jemand nicht posten kann, weil er andere Verpflichtungen hat? Seine Handlungsunfähigkeit verzögert die Entfaltung der Story. Noch schlimmer wird es, wenn die Verpflichtungen so stark werden, dass jemand überhaupt nicht mehr am Projekt teilnehmen kann. So ist es dem Projektmitglied ergangen, das unter dem Pseudonym „Desolator“ schreibt. Er trat aus dem yatu-Projekt aus und bat darum, dass seine Partei künftig nicht weiter verwendet wird und im Prinzip einfach aufhört, zu existieren.
Jedoch haben Desolator und ich abgemacht, künftig unsere Parteien stärker miteinander interagieren lassen, und einige bereits veröffentlichte Posts darauf ausgerichtet.
Nun, mit Desolators Verschwinden, sah ich auch meine Zukunft im Projekt bedroht, da ich große Teile meiner Handlung auf Interaktionen mit ihm ausgelegt habe. Im Endeffekt ist es nicht so schlimm gewesen, wie es aussah, das Projekt geht nun ohne Desolator weiter und einige meiner Handlungsstränge verlaufen zwar im Sand, aber dafür öffnen sich neue Türen.
Während ich über die Zukunft des Projekts nachdachte und beriet, war ich jedoch schreiberisch nicht untätig, und habe eine Kurzgeschichte verfasst, in der ich den Werdegang von Zekko, einem meiner Protagonisten im Projekt, beschrieben habe, bevor er sich in meinem ersten yatu-Post auf einem Schlachtfeld wieder findet und die Frau, in die er seit Kindertagen verliebt war, ihm das Leben rettet. Hier ist die Geschichte, viel Spaß beim Lesen….obwohl, nein, ich gebe euch erst einmal nur den Prolog.

Das Gerät fängt an zu surren, kaum dass ich es berührt habe. Wie eine natürliche Abwehrreaktion eines Tieres, das zu schwach ist, um sich anständig zu wehren und deshalb auf seiner Sprache droht.
Ich betrachte es genauer. Vom Aussehen her ähnelt es einer verchromten Pistole mit einem etwas dunkleren Zylinder, der den Großteil des Laufs einnimmt, vier metallischen Ringen, die ihn umgeben, sowie einem zweiten, etwas kleineren Zylinder, der senkrecht daran befestigt ist. Ich richte die Konstruktion von mir weg und ziele auf einen Felsbrocken einige Schritte von mir entfernt. Auf einmal fangen die silbernen Ringe an, rötlich zu glühen. Bevor ich reagieren kann, spüre ich einen kurzen Ruck, sehe einen kleinen Schatten, dann explodiert etwas in einem gleißenden Feuerball unmittelbar vor mir. Eine Welle heißer Luft prallt gegen mein Gesicht. Als ich mich umsehe, sehe ich eine schmächtige, grüne Kreatur mit auffällig spitzen Ohren neben mir stehen. Das Wesen sieht aus, wie ein Mensch, ist aber höchstens einen Meter groß. Ein Goli. Offenbar hat er mir die Pistole aus der Hand gerissen, sie weggeworfen und uns beiden somit das Leben gerettet.
„Gute Granate!“, sagt er und nickt in Richtung des Rauches, der nun an Stelle der Flammen getreten  ist.
„Was habe ich falsch gemacht?“, will ich wissen. Das ist schon mein dritter Versuch, meine eigene Waffe zu bauen. Und mein dritter Fehlschlag.
„Kühlung“, antwortet er. Logisch. Sonst wäre das Gerät eben auch nicht überhitzt.
„Aber ist die Stickstoffzelle nicht genug?“
Der Goli schüttelt den Kopf.
„Nein. Außerdem...“, er reibt sich kurz über das Kinn, „...wie willst du verhindern, dass sich die Kühlflüssigkeit erhitzt?“
„Worauf willst du hinaus?“, will ich wissen.
„Du kannst das Gerät nur wenige Male benutzen, bevor es so endet wie dieser Prototyp. Es sei denn...“
„Zekko!“
Eine Mädchenstimme unterbricht das Gespräch, ich kenne sie nur zu gut.
„Armia!“, antworte ich automatisch und drehe mich um. Ein Mädchen mit hellblonden, fast schon weißen Haaren, die zu einem Zopf zusammengebunden sind, lehnt an einem übermannshohen Pfeiler, der einst wohl Teil eines größeren Gerüsts war. Hinter ihr steht ein etwas älterer Junge mit genauso blonden Haaren, sein Mund ist bedeckt von einem Tuch mit einem eigenartigen Muster. Ein horizontaler Strich, der von vielen vertikalen Strichen gekreuzt wird. Wie eine Narbe, die ihm quer über das Gesicht geht. Das ist Procius, Armias Bruder.
„Schon wieder deine merkwürdigen Versuche?“, knurrt er abschätzig. Merkwürdige Versuche? Irgendwann baue ich diese Waffe und dann zeige ich es ihm. Ich kann mir schon sein Gesicht vorstellen, wenn er sieht, wie ich Steine schmelze, als seien sie aus Eis. Vorausgesetzt, er nimmt diesen lächerlichen Stoffetzen ab.
„Hey. Er schafft das!“, ruft Armia, wobei sie mir aufmunternd zunickt. „Außerdem hat er ja einen Experten an seiner Seite.“
Bei diesen Worten verbeugt sich der Goli kurz. Plötzlich hält er inne. Ich bemerke, wie sich sein Körper versteift und sein Gesicht sich langsam zu einer angsterfüllten Grimasse verzerrt.
„Chimäre!“, kreischt er plötzlich, und im Nu ist er unter einem Haufen Schrott verschwunden. Kaum hat er das gehört, erwacht Procius zum Leben. „Eine Chimäre? Wo!“, ruft er. Ich seufze. Er war schon immer ein hitzköpfiger Draufgänger, aber jetzt übertreibt er. Chimären sind extrem gefährliche Raubtiere, die jedem Erdaner körperlich überlegen sind. Selbst die Yad haben mit ihnen Probleme. Procius will doch nicht etwa...wo ist er überhaupt? Als ich mich umblicke, ist er verschwunden. Aus dem Augenwinkel sehe ich Armia um die Ecke biegen. Ohne zu zögern laufe ich ihnen hinterher. Plötzlich bleibt Procius vor uns stehen. Vor uns befindet sich nun eine weitgehend ebene Fläche, die zu drei Seiten von einer Wand aus Schrott abgegrenzt wird. Direkt vor der Wand befinden sich mehrere kleine Erdhügel, die aussehen, wie kleine Gräber. An einem dieser Häufchen macht sich gerade eine schuppige Kreatur mit sechs Gliedmaßen, einem Schnabel und einem Stachel am Schwanz zu schaffen. Die Chimäre.
„Bist du bereit?“, fragt Procius, und zieht ein Metallrohr aus dem Schrotthaufen neben sich.
Armia seufzt und stellt sich vor ihn.
„Hör auf! Du wirst uns alle umbringen!“
Er schiebt sie sanft zur Seite und blickt wieder zu mir.
„Na, Zekko, hast du Angst?“, fragt er höhnisch. Ich nicke.
„Ja, Procius, ich habe Angst“, sage ich. Es stimmt, im Moment habe ich Todesangst, denn dieses Biest sieht wirklich furchterregend aus. Procius grinst.
„Ich aber nicht!“, ruft er und stürmt der widerlichen Bestie entgegen. Ich renne ihm hinterher. Procius bleibt vor der Bestie stehen und wackelt mit seinem Körper hin und her, während er das Metallrohr mit beiden Händen festhält. Offenbar hat er es mit der Angst zu tun bekommen. Die Bestie dreht die Spitze ihres Schwanzes zu dem Jungen. Zwei Schuppen klappen sich hoch, darunter kommen schwarze Kügelchen zum Vorschein. Dieses Vieh hat Augen auf dem Schwanz! Ich blicke kurz zu Armia, doch sie ist vor Schreck wie gelähmt. Ihr Gesicht ist kreidebleich und Tränen sammeln sich in ihren Augen.
„Procius...“, flüstert sie. Das ist das Schlimmste, was man tun kann. Zuzusehen, wie ein Freund stirbt, weil man sich selbst nicht traut, ihm zu helfen. Auf einmal macht Armia einen Schritt nach vorne.
„Ich werde mit ihm kämpfen!“, sagt sie und ballt ihre Faust. Ich lege meine Hand auf ihre Schulter. „Nein, besser, wir laufen zur Siedlung und holen Verstärkung!“, entgegne ich.
„Dann stirbt er!“, kreischt Armia
„Besser einer, als drei!“, sage ich, selbst erstaunt über meine Kaltblütigkeit. Sie sieht mich mit Entsetzen an.
„Das meinst du nicht ernst...“, keucht sie, dann, ehe ich mich versehe, läuft sie los. Derweil hat sich die Bestie vollständig zu Procius umgedreht, er steht immer noch wie festgewachsen vor ihr. Der Schwanz der Chimäre kreist um das Gebiet, beobachtet die Umgebung, schaut sich nach weiterer Beute um. Das kalkfarbige Maul des Biests hat schwarze Flecken um den Schnabel herum. Augenblicklich wird mir alles klar. Das ist Yadblut. Dieses Vieh hat Yadeier gefressen. Auf einmal richtet sich der Schwanz auf, die zwei Augen fixieren Armia. Sie bemerkt es nicht einmal. Procius traut sich immer noch nicht, anzugreifen. Scheiße. Ich muss etwas unternehmen. Ich greife in den Trümmerhaufen, der Teil der Mauer ist, und hole ein kleines, schweres Gerät heraus. Ich habe keine Ahnung, wofür man es braucht, aber das ist mir auch egal. Ich brauche es als Geschoss. Eine Sekunde reicht mir zum Zielen, dann schleudere ich das Objekt auf den Schwanz zu. Ich treffe genau das Auge. Sofort erwacht die Bestie zum Leben und verfällt in eine Raserei, ausgelöst durch den Schmerz. Der Stachel schießt nach vorne und bohrt sich knapp neben Armia in den Boden, gleichzeitig schnappt die Bestie mit dem Maul nach Procius, doch er weicht aus und lässt gleichzeitig seine Metallkeule auf den schuppigen Hals der Kreatur niederkrachen. Ich werfe Armia einen weiteren Metallstab zu, damit sie sich auch im Nahkampf verteidigen kann, doch die Bestie wehrt ihn mit ihrem Schwanz ab und schleudert ihn mir vor die Füße. Ich sehe, wie Procius an einem Schrotthaufen emporklettert, offenbar will er das Vieh von da oben mit Abfällen bewerfen. Kluge Idee. Aber ich muss mich um Armia kümmern. Der Schwanz richtet sich wieder auf, um erneut anzugreifen. Ich werfe ein weiteres Metallteil nach dem verbliebenen Auge, aber ich verfehle. Mist. Doch wenigstens habe ich die Kreatur abgelenkt. Aus dem Augenwinkel sehe ich Armia davonlaufen. Gut, sie ist in Sicherheit. Jetzt kämpfe ich allein gegen dieses Monster. Blitzschnell gehe ich meine Optionen durch. Eigentlich ist es aussichtslos: Ich darf meine Augen nicht von seinem Schwanz lassen, sonst bin ich aufgeschmissen. Aber selbst wenn ich das Ding unablässig beobachte, kann ich wahrscheinlich nicht schnell genug reagieren, wenn die Chimäre zuschlägt. Armias Schrei reißt mich aus meinen Gedanken. Sie wird von zwei Klauen festgehalten. Na klasse. Der Mundteil des Monsters hat sie zu fassen gekriegt. Ich schaue hoch zu Procius, er kramt im Müllberg herum. Was auch immer er da sucht. Plötzlich höre ich das gequälte Kreischen von Metall, das auf etwas ähnlich Hartes trifft, und im nächsten Moment fällt der Schwanz der Monströsität vor mir auf den Boden und wirbelt eine Staubwolke auf. Instinktiv hebe ich meine Hände vor's Gesicht und schließe meine Augen. Als ich sie wieder öffne, steht eine mindestens zwei Meter große Kreatur in einer silbrigen Rüstung auf dem Rückenpanzer der Chimäre und hält eine Axt in der Hand, die ruhig vor sich her summt. Jetzt erst sehe ich, dass es eigentlich keine Axt ist, sondern eher ein Stab, der eine Scheibe und einen Motor hält. Die Scheibe dreht sich unablässig.
Er greift hinter sich und hebt den Kopf der toten Kreatur in einer Geste des Triumphs hoch. Dann springt er von der Leiche herunter und bewegt sich auf mich zu. Jetzt erst bemerke ich, dass die silberne Rüstung ihn vollständig bedeckt, von Kopf bis Fuß. Das muss ein Yad sein, die dominante Rasse der GEYA-Union. Man sagt, sie können ohne Wasser nicht überleben, deshalb müssen sie ständig in einer mit Wasser gefüllten Rüstung herumlaufen.
„Dein Name“, höre ich den Yad knurren. Er muss einen Lautsprecher in der Rüstung haben, der mit seinem Kehlkopf verbunden ist.
„Zekko...“, antworte ich zögernd. Er nickt.
„Dein Name“, sagt er dann und dreht sich zu Armia um, die ängstlich hinter dem Chimärenpanzer hervorschaut.
„Armia“, piepst sie und macht einige unbeholfene Schritte auf uns zu. Sie ist unverletzt. Gut.
„Ihr zwei – Eier gerettet. Das – große Ehre für Erdaner“, erklärt der Yad. Ich schüttle den Kopf.
„Nicht zwei, sondern drei!“, entgegne ich und zeige auf Procius, der auf einem Schotthaufen steht und einen Klumpen zusammengeschmolzenes Metall in der Hand hält. Ohne ihn wären wir zwar nicht hier, aber er hat auch mit uns gekämpft, somit sollte er auch seinen Anteil am Lob bekommen.
„Das – Feigling!“, erklärt der Hüne.
„Ich bin kein Feigling!“, ruft Procius, während er von dem Trümmerberg herunter klettert. Der Yad stampft mit schnellen Schritten auf ihn zu, greift ihn am Nacken und ehe ich mich versehen habe, drückt er ihn herunter und hält ihm seine Axt an den Schädel.
„Ehrenloser Kampf genauso wie gar kein Kampf“, sagt er, dann erhebt er sich und stampft zu uns zurück. „Mein Name Suniga“, sagt er, dann dreht er sich um und geht. Nach einigen Schritten bleibt er stehen. „Mit zu Erdanersiedlung?“, will er wissen. Ich nicke und folge ihm mit Armia. Procius trottet in einigem Abstand hinterher.
Die Siedlung ist überhaupt nicht weit entfernt, wenn man sich auf einen besonders hohen Trümmerhaufen stellt, kann man die Mauer und die Wachtürme sehen. Die Verteidigungsanlagen beeindrucken mich jedes Mal, obwohl ich hier aufgewachsen bin und sie jedes Mal durch das Fenster sehe. Mir fällt auf, dass fast nur Erdaner die Siedlung bewachen, sie patroullieren mit ihren Waffen an der Mauer entlang oder sitzen an Ionenkanonengestellen in den Wachhäuschen. Eigentlich nicht verwunderlich, weil nur Erdaner in der Siedlung leben, aber andere erdanische Siedlungen werden normalerweise auch von Yad bewacht. Vor dem Tor stehen zwei Soldaten in dunkelbraunen Rüstungen, mit Helmen und Gewehren. Die erdanische Uniform für Unionsdiener. Alle tragen eine Art Säbel am Gürtel, es ist Vorschrift, stets eine Nahkampfwaffe mit sich zu führen, ausgenommen sind lediglich die mysteriösen Akhi. Nur die Wenigsten sind je welchen begegnet. Die Wachen nicken kurz, einer hält sich seine Hand in sein Funkgerät und murmelt etwas Unverständliches. Unsere Eltern stehen schon am Tor und warten. Eher gesagt, die Eltern von Procius und Armia. Seit meine tot sind, haben sie mich bei sich aufgenommen und stets wie ein eigenes Kind behandelt.
Die Gesichter der Beiden sind von Sorgefalten gezeichnet.
„Habt ihr wieder auf dem Schrottplatz gespielt?“
Die Frage der Mutter ist an niemanden Bestimmtes gerichtet. Armia und Procius senken die Köpfe.
Suniga bewegt sich zu den beiden Erdanern zu.
„Diese beiden – Helden!“, sagt er.
„Was haben sie denn getan?“, will der Vater wissen.
„Brut gerettet“, antwortet der Yad. Komische Wesen. Sie zeigen nie Emotionen, wenn sie sprechen.
„Dieser hier“, sagt Suniga und klopft mir auf die Schulter, „mit auf Flottenschule.“
Ich reiße meine Augen vor Überraschung so weit auf, dass ich für einen kurzen Moment Angst habe, dass sie mir aus den Höhlen herausfallen. Die Flottenschule ist die höchste Bildungseinrichtung der Union. Dort werden Beauftragte ausgebildet, die am Ende die Kontrolle über einen Ganzen Bereich eines Schifs haben. Zu einem Beauftragten zu werden ist die höchste Ehre, die einem Erdaner in der Union zuteil werden kann.
Suniga legt Armia seine Pranke auf die Schulter, wobei er sich sichtlich nach vorne beugen muss, um das zu tun, und sagt „diese hier auch!“
Beide Eltern schütteln den Kopf.
„Nein, sie bleiben hier!“, erwidert Mutter. Ich werfe ihr einen zornigen Blick zu. Als Suniga gesagt hat, dass er uns mit zur Akademie nimmt, ist mein Herz augenblicklich höher geschlagen. Ich habe zwölf Jahre meines Lebens in diesem Nest verbracht. Das ist genug. Jetzt will ich die Weite des Alls sehen. Und diese Frau hat mir gerade die beste Gelegenheit dafür versaut. Ich seufze, dann gehe ich auf das Haus zu, in dem wir wohnen, wobei ich sie demonstrativ anremple. Das Gebäude ist im Prinzip nichts weiter als ein großer Kasten mit Fenstern und einer Wendetreppe  an jeder Seite. Vom Dach des Gebädes ziehen sich Kabel, Drähte und Wäscheleinen zu anderen, ähnlich aussehenden Gebäuden. Ich schiebe die Magnetkarte in den Schlitz, öffne die Tür und betrete die Wohnung. Der Flur ist dunkel. Als ich das Licht anschalte, sehe ich sechs Türen. Drei auf jeder Seite. Rechts die Zimmer der Kinder, also Procius, Armia und ich, links die der Eltern und das Bad. Ich gehe auf mein Zimmer. Hinter mir schließe ich ab. Plötzlich klopft jemand an meinem Fenster. Selo, der Goli vom Schrottplatz. Gut. Jemand anderen will ich gerade nicht sehen. Ich öffne das Fenster und das kleine Wesen kriecht hinein.
„Da!“, sagt er und stellt einen schwarzen Behälter auf den Tisch. Auch er hat metallische Ringe um sich herum und eine kleine Anzeige an der Seite.
„Was ist das?“, will ich wissen, obwohl ich es mir bereits denken kann.
„Ein Plasmabehälter“, antwortet der Goli seelenruhig, als sei es nichts Schlimmes, dass er gerade einen Behälter mit dem instabilsten Material, was es gibt, in eine Wohngegend geschmuggelt hat.
„Bist du wahnsinnig? Wenn die hochgehen, sind wir alle tot!“
Der Goli blickt kurz aus dem Fenster, dann schüttelt er den Kopf.
„Nicht alle, vermutlich nur alle Bewohner dieses Hauses. Aber das ist doch gut. Sachen, die unter Druck hergestellt wurden, halten länger“
Ich seufze. Die Goli waren schon immer für ihre unorthodoxen Ideen berüchtigt. Und für ihre schrille Stimme, wobei die von Selo noch angenehm klingt, zumindest im Vergleich mit anderen seiner Artgenossen.
Der Goli holt einige Werkzeuge aus dem improvisierten Rucksack und legt sie vor mir auf den Tisch.
„Du hast mich vorhin zu etwas inspiriert, weißt du?“
„Wirklich?“
Er nickt, dann hält er mir einen Behälter vor die Nase.
„Weißt du, warum uns das Plasma nicht um die Ohren fliegt?“
Ich nicke und zeige auf die silbernen Ringe.
„Wegen den Magneten“
Selo nickt.
„Genau. Und die Magneten werden mit Stickstoff gekühlt, damit sie nicht überhitzen. Wenn man aber die Kühlung aussetzt, arbeiten die Magneten stärker. Somit wird das Plasma solange komprimiert, bis die Magneten überhitzen. Dann wird das Plasma sich wieder ausbreiten wollen...“
„...und das Gerät explodiert. Clever!“, ergänze ich seinen Satz. So eine Plasmagranate klingt amüsant. Ich kann mir schon die Gesichter der Erwachsenen vorstellen, wenn ich ihnen das Gerät irgendwo auf dem Schrottplatz demonstriere. Armia wird mich lieben.
„Tun wir's!“, sage ich.
Der Goli nickt und reibt sich die Hände. Wir verbringen den ganzen Abend mit der Herstellung. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben so sehr geschwitzt. Aber Selo sieht alles ganz gelassen. Entweder, er hat immenses Vertrauen in unsere Fähigkeiten, oder er hängt nicht am Leben, wobei er heute bewiesen hat, dass es Letzteres nicht sein kann. Plötzlich klopft jemand an die Zimmertür.
„Was?“, frage ich genervt. Es ist garantiert Mutter oder Vater. Ich will mit beiden nicht reden.
„Ist Procius bei dir?“
Mutter.
„Nein!“
„Weißt du, wo er hingegangen sein könnte?“
„Nein!“
Sie verschwindet wieder und ich bastle weiter. Gegen Ende der Nacht haben wir sechs Granatan gebaut. Jede hat nun einen Knopf, der die Zufuhr des Kühlmittels unterbricht. Dann hat man zehn Sekunden Zeit, um das Gerät los zu werden und weg zu schauen, denn die Explosion ist nicht nur so heiß, wie ein Stern, sondern auch genauso hell.
Ich schaue aus dem Fenster, auf die zwei Sonnen, die sich langsam nebeneinander über den Horizont erheben. Selo schläft zusammengekauert auf dem Schreibtisch, direkt neben einer der Granaten. Er ist zwischenzeitlich, während ich gebastelt habe, losgezogen, hat ein Stück Leder geholt und mir daraus einen Gürtel genäht, in den meine Granaten hervorragend hineinpassen. Sie sind von dort aus leicht zu entnehmen und der Druckknopf ist optimal geschützt.
Plötzlich höre ich aufgebrachte Stimmen vor dem Tor der Siedlung.
Der Goli reckt den Hals.
„Lass uns mal nachsehen“, sage ich und laufe zur Tür. Im Nu sitzt er auf meinen Schultern, ich stürme die Treppen herunter und dränge mich durch die Ansammlung Erdaner, bis ich mir ein Yad seinen Speer vor die Nase hält.
„Zurück!“, knurrt er. Ich gehorche instinktiv. Procius und Armia stehen in der Mitte der Masse, zusammen mit ihren Eltern, flankiert von Suniga und zwei Wachen.
„Lasst ihn!“, sagt Suniga plötzlich. Der Yad vor mir senkt seinen Speer und ich trete sofort nach vorne.
„Was ist passiert?“, will ich wissen.
„Jemand Eier vernichtet“, erklärt der Yad. Procius! Deshalb war er heute Nacht nicht zuhause.
„Informationen?“, fragt Suniga mich. Ich schüttle den Kopf. Nein, ich weiß nichts. Ich habe heute Nacht zwar bloß mit dem Leben der halben Siedlung gespielt, aber von den Yadeiern weiß ich nichts.
„Yad-Eier-Zerstörer stirbt!“, sagt einer der Yad, die anwesenden Wächter, die gerade die Menge zurück halten, stimmen mit einem Kampfschrei zu. Ich blicke zu Procius, doch er wendet den Blick ab. Ich weiß auch, wieso. Plötzlich tritt Armia vor.
„Ich war das!“, sagt sie.
„Was? Lüg nicht!“, rufe ich, aber es ist bereits zu spät. Suniga packt sie, drückt sie auf den Boden und aktiviert seine Axt.
„Halt!“, sagt ihr Vater.
„Die Gesetze sagen, dass der Aufpasser des Täters für die Tat gerade steht“
Suniga legt den Kopf schief.
„Gesetze sagen - Kampf auf Leben und Tod. Wenn du verlierst – Verbannung für ganze Familie“
Vater nickt und löst ein Messer von seinem Gürtel. Suniga zögert nicht lange. Mit einem einzigen Hieb hat er ihm den Kopf von den Schultern getrennt. Armia kniet sofort neben ihm nieder, Procius ballt die Fäuste. Ich halte vor Schreck meinen Atem an. Er hat sich zwar nur zwei Jahre um mich gekümmert, aber er hat mich stets behandelt, wie seinen eigenen Sohn. Und jetzt stirbt er wegen der sinnlosen Rache eines Feiglings. Am liebsten würde ich Procius jetzt eine meiner Granaten in den Mund stopfen. Auf einmal spüre ich etwas Kaltes und Schweres auf meinem Kopf.
„Du – mitkommen!“, sagt Suniga.
„Wo...wohin denn?“, stottere ich hervor.
„Flottenschule“, erklärt er.

Saturday, September 1, 2012

Von Männern mit Bärten




Wundert euch nicht über die Überschrift, aber Bärte sind das Einzige, was die beiden Personen gemeinsam haben, über die ich heute sprechen will.

Zum einen wäre da Solid Snake, Protagonist einer Spielserie, die ich sehr mag, nämlich Metal Gear. Vor Kurzem hat diese Serie ihr 25 jähriges Jubiläum gefeiert. Und wie feiert man solche Ereignisse am Besten? Richtig, mit einer Convention. Im Zuge dieser Convention wurden zwei Dinge angekündigt. Erstens, dass es einen Metal Gear Film geben wird. Zweitens, dass es ein neues Spiel geben wird, nämlich Metal Gear Solid: Ground Zeroes.  
Vor dem Metal Gear Solid Film habe ich keine Angst, solange Uwe Boll nicht Regie führt und Hideo Kojima, der geistige Vater der Serie, Mitspracherecht besitzt. Das Spiel hingegen bereitet mir mehr Sorgen: Ich finde, es gibt zu viele Spiele dieser Serie: Alleine die Hauptserie hat vier, nämlich Metal Gear Solid, Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty, was auf Metal Gear solid aufbaut, Metal Gear Solid 3: Snake Eater, ein Prequel, das die Geschichte von Snakes Vater beleuchtet, und Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots, was zwar auf Metal Gear Solid 2 aufbaut, aber auch Charaktere aus Teil drei beinhaltet. Dazu kommen zwei Spiele für die PSP, die nach Metal Gear Solid 3 spielen und ebenfalls Snakes Vater als Protagonisten haben. Beim neuen Spiel habe ich etwas Angst, dass sie wieder ein Stück Vorgeschichte irgendwo hinein quetschen und somit im Endeffekt die ganze Serie durch zu viele Nebenstränge kaputt machen. Andererseits beruhigt mich die Tatsache, dass man einen relativ jungen Mann mit Bart auf dem einzigen Foto vom neuen Spiel sieht, da dies bedeutet, dass sie kein Spiel heraus bringen, was nach Metal Gear Solid 4 spielt, denn dieses Spiel hatte ein hervorragendes Ende.

Der andere Bärtige ist Andrei Arlovski, einer meiner Lieblingssportler und seines Zeichens MMA-Kämpfer sowie ehemaliger UFC-Schwergewichtschampion. Er hatte gestern einen lang erwarteten Kampf gegen seinen Erzrivalen Tim Sylvia. Es ist das vierte Aufeinandertreffen der beiden. Beim ersten Mal hat sich Arlovski den Schwergewichtstitel von Sylvia geholt, ihn jedoch bei der zweiten Konfrontation wieder an ihn verloren. Bei der dritten Begegnung hat Sylvia dann den Titel gegen Arlovski verteidigt. Es steht also 2:1 für Sylvia im Moment. Der gestrige Kampf offenbarte Arlovski als klaren Favoriten, er hat Sylvia stets mit Schlägen und Tritten beschäftigt gehalten und dessen Angriffe gut überstanden. Im Endeffekt hat Arlovski seinen Kontrahenten sogar mit zwei Schlägen zu Fall gebracht und ihm daraufhin zwei Fußtritte verpasst. Solche Fußtritte, soccer kicks genannt, weil man den Schädel des Gegners so behandelt, wie einen Fußball, sind zwar legal, aber erst, nachdem der Schiedsrichter seine Erlaubnis dazu erteilt. Was gestern nicht der Fall war. Somit wurden die Tritte als illegal gewertet und Sylvia erhielt fünf Minuten Erholungszeit. Doch er hat dem Schiedsrichter gesagt, dass er nicht weiter kämpfen konnte, somit wurde der Kampf als Unentschieden gewertet. Ich finde das traurig, dass Arlovski wegen solch einer Kleinigkeit der Sieg verwehrt wurde, denn ich bin davon überzeugt, dass er Sylvia mit den Tritten den Rest gegeben hätte, wenn der Schiedsrichter das Zeichen gegeben hätte. Vielleicht hat Sylvia auch einfach gelogen, als er gesagt hat, dass er nicht mehr kampffähig ist, um weiteren Attacken von Arlovski und einem möglichen Knockout zu entgehen. Bleibt zu hoffen, dass es eine fünfte Begegnung zwischen den beiden geben wird.

Friday, August 24, 2012

The Rise of Nine


Vor einigen Tagen ist der von Fans lang ersehnte dritte Teil der „Lorien Legacies“-Reihe erschienen. Das Buch trägt den Namen „The Rise of Nine“ und ich hatte das Glück, es schon bald nach seinem Erscheinen in meinen Klauen zu halten.
Heute möchte ich es reviewen.
The Rise of Nine beleuchtet die Geschehnisse um sieben Überlebende einer humanoiden Außerirdischenrasse vom Planeten Lorien, die sich auf der Erde verstecken und sich darauf vorbereiten, gegen ihre Erzfeinde zu kämpfen, eine Außerirdischenrasse namens Mogadorianer. Hilfreich erweist sich hierbei die Tatsache, dass jedes der Überlebenden im Teenagealter übernatürliche Fähigkeiten entwickelt. Die einen können zum Beispiel unter Wasser atmen, andere machen sich unsichtbar, wiederum andere sind Gestaltwandler.
Auf den Jugendlichen lag bis vor Kurzem ein Zauber, der es nur möglich machte, sie in einer bestimmten Reihenfolge zu töten. Aus diesem Grund sind sie durchnummeriert, von eins bis neun. Eins bis Drei sind tot, Nummer Vier war der erste, der sich zur Wehr gesetzt hat.
Das vorherige Buch, „The Power of Six“ ist damit geendet, dass Nummer Vier durch Zufall Nummer Neun aus einem mogadorianischen Stützpunkt befreit hat, während Nummer Sechs in Spanien zusammen mit Nummer Sieben gegen Mogadorianer gekämpft hat.
Das aktuelle Buch knüpft genau daran an. Vier und Neun reisen durch die USA, gesucht von den Mogadori und der Polizei, mit denen Vier auf Kriegsfuß steht. Hinzu kommt, dass Vier in dem Stützpunkt seinen besten (menschlichen) Freund zurücklassen musste und nun auch noch Visionen von dem Anführer der Mogadori bekommt.
Auf der anderen Seite der Welt machen sich Nummer Sechs und Nummer Sieben, die beiden anderen Erzählerinnen des Buchs, auf den Weg nach Indien, wo sie auf Nummer Acht stoßen, der eine kleine Privatarmee aus Fanatikern aufgestellt hat, die ihn als Gott verehren. An dieser Stelle dachte ich, dass nun die Chancen für die lorischen Kinder etwas besser stehen, da sie nun mehr Kämpfer haben, auch wenn es „nur“ bewaffnete Menschen sind. Aber nein, Nummer Acht verlässt seine Armee, um mit Sechs und Sieben zu reisen. Ich an seiner Stelle hätte alle Lorier unter den Schutz seiner Privatarmee genommen, eine Festung oder einen Stützpunkt gebaut und dann einfach auf den Angriff der Mogadori gewartet. Besser, als zu dritt (eigentlich zu fünft, aber ich werde nicht sagen, wer noch mitreist) durch die Gegend zu schleichen, stets auf der Hut und zum Kampf bereit.
Das ist nicht das Einzige, was mir aufgefallen ist: Im Verlauf des Buchs landet Sechs auf wundersame Weise in New Mexico und findet heraus, dass die US-Regierung mit den Mogadori zusammen arbeitet.
Nur damit ich das richtig verstehe: Eine Invasionsstreitmacht (mehrere tausend Soldaten) landet auf der Erde mit Plänen, diese zu zerstören, und die USA geben ihnen Zuflucht?
Im Buch wird erklärt, dass sie im Gegenzug Waffen und Rohstoffe bekommen. An dieser Stelle bin ich stutzig geworden. Hieß es nicht, der Planet der Mogadori sei erbarmungslos heruntergewirtschaftet worden? Woher kommen dann die Ressourcen?
Es wird im weiteren Verlauf der Handlung immer schräger, schließlich mündet das Ganze dann in einem Sturm auf einen Stützpunkt der USA, der ähnlich schwer bewacht wird, wie Area 51. Wenn nur einpaar Kinder schon so stark sind, dass sie solch eine Geheimbasis auseinander nehmen können, wie konnte dann ein ganzer Planet voller Lorier überrannt werden? Und wie können diese verbliebenen Überlebenden dann auch nur ein Fünkchen Hoffnung besitzen, dass sie den Kampf gegen die Streitmacht gewinnen, die ihre Heimatwelt heimgesucht hat?
Die Kritik geht noch weiter: Im zweiten Buch wurde versprochen, dass man nach einem zweiten Schiff sucht, mit dem eine ganze Reihe Tiere mit auf die Erde gebracht wurde. Nun, in „The Rise of Nine“ verliert man kein Wort darüber. Schade. Außerdem spricht Nummer Vier die ganze Zeit davon, seinen Freund Sam aus der Gefangenschaft der Mogadori zu befreien, was in diesem Buch auch nicht passiert. Dafür sieht man Sarah, Johns Freundin wieder, die ihm sofort um die Arme fällt und immer noch so verliebt ist, wie damals. Auch John ist überglücklich, sie zu sehen, auch wenn sie ihn vor einem Jahr scheinbar an die Polizei verraten hat. Vielleicht ist das nur meine antiromantische Meinung, aber ich würde nichts mit einer Person zu tun haben wollen, die ich geliebt habe, aber die mich verrät (auch wenn diese Person das Gegenteil behauptet). Außerdem würde ich mich nach einigen Monaten Folter und Gefängnis nicht gut genug fühlen, sofort aufzuspringen, eine Waffe zu nehmen und Feinde niederzuballern, so wie es Sarah tut.
Das Ende lässt auch zu wünschen übrig. Mitten im Kampf verschwindet der Erzfeind plötzlich, die Gruppe diskutiert kurz, und das Buch ist vorbei. Man hat den Eindruck, als wäre der Autor nicht mit der gesetzten Deadline klar gekommen und deshalb einfach abgegeben hat, was bisher fertig war.

Die einzigen zwei positiven Dinge an dem Buch:
1.) Der Schreibstil. Man kann sich alles, was in „The Rise of Nine“ geschieht, hervorragend vorstellen.
2.) Man erfährt mehr über den Inhalt der Kisten, mit denen die Jugendlichen herumlaufen.

Fazit:
Ich habe gelesen, dass sich das Autorenduo, was hinter dem Pseudonym „Pittacus Lore“ steckt, aufgelöst hat und „The Rise of Nine“ aus der Feder des einzigen nunmehr verbliebenen Autors stammt, der noch am Projekt arbeitet. Man sieht das Ergebnis. Schlechtestes Buch der Serie. Bisher.

Saturday, July 14, 2012

Vierfaltigkeit



 Hi Leute,

Tut mir Leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe, ich hatte Prüfungen an der Uni.

Heute möchte ich über ein sehr interessantes Ereignis berichten. Vier meiner Lieblingsmusiker haben an EINEM Tag je ein neues Lied herausgebracht.

Zu aller erst oxxxymiron, ein russischer Rapper, der ein Musikvideo zu der dritten Auskopplung aus seinem zweiten Album (was hoffentlich bald erscheint) veröffentlicht hat. Ein überragendes Lied, so wie fast alles von ihm. Hier der Link:

http://www.youtube.com/watch?v=7p-W4FylNwI

Dann wäre da Schokk, ein weiterer russischer Rapper, der ein schnell zusammen geschustertes Video hochgeladen hat, was er angeblich in zwei Nächten aufgenommen hat, genauso wie das Lied, was sich grundlegend von seinem bisherigen Stil unterscheidet. Anscheinend experimentiert er gerade etwas und hat hier einen Prototyp abgeliefert. Er klingt nicht schlecht, mal schauen, in welche Richtung er das entwickelt. Aber bildet euch selbst ein Urteil:

http://www.youtube.com/watch?v=P4EnXUO92XE

Als nächstes auf der Liste steht Marger mit dem Freetrack „Certified Freestyle“, einem Internetvideo vom youtube-Kanal „Grimedaily“. Auch ein herrliches Lied, und endlich mal was Neues von ihm. In zweierlei Hinsicht: Erstens hat man seit einigen Monaten nichts mehr von ihm gehört, zweitens hatte er die Angewohnheit, vor allem in Internettracks oder „Freestyles“, Passagen aus anderen Liedern von ihm zu „recyceln“ und wieder zu verwenden, wenn auch auf einem anderen Beat. Diesmal scheint er sich die Mühe gemacht zu haben, sich wieder etwas auszudenken. Gut so.

http://www.youtube.com/watch?v=KHmivrj80O4

Das Beste zum Schluss. Auch Animus war an diesem Tag nicht untätig und hat seinen Fans ein bisher unveröffentlichtes Lied zu hören gegeben, als Vorgeschmack auf die EGGUS-EP. Dieses Lied sollte eigentlich auf seinem Album „Brieftaube“ landen, aber es wurde vorerst auf Eis gelegt. Ich finde das Lied super, und ihr?

http://www.youtube.com/watch?v=TcBQlVISbPM

Tja, das war’s vorerst von mir. Ich melde mich bald wieder, garantiert.

Wednesday, May 30, 2012

Assange and the world of tomorrow


Traurige Nachrichten, Freunde.

Julian Assange, Gründer und Gesicht von Wikileaks, wird nach Schweden ausgeliefert, wo ihm vorgeworfen wird, zwei Frauen vergewaltigt zu haben (die Schweden fassen den Begriff „Vergewaltigung“ etwas weiter, als der Rest der Welt, und sind auch mit der Bestrafung etwas konsequenter). Zuvor hat er über 500 Tage unter Hausarrest verbracht, während über seine Abschiebung verhandelt wurde.
Interessant ist, dass die schwedische Staatsanwaltschaft wohl die Möglichkeit hatte, nach Großbritannien zu fliegen, um Assange vor Ort in der Villa zu verhören, in der er gefangen war. Sie haben das Recht nicht genutzt. Außerdem macht mich die Tatsache stutzig, wie viele Ungereimtheiten Wikileaks über den Fall zu Tage fördert.
Ich befürchte, dass sich kurz nach Assanges Eintreffen die USA für ihn interessieren werden und eine Auslieferung in die Staaten verlangen werden, wo der Mann so etwas wie der Staatsfeind Nr. 1 ist und ihm so nette Sachen wie z.B. Spionage vorgeworfen werden. Auf ihn warten also in jedem Fall schwierige Zeiten.

Aber eigentlich interessiert mich diese ganze Story aus einem anderen Grund. „The World Tomorrow“, eine von ihm moderierte Fernsehsendung, wird wahrscheinlich abgesetzt, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie er in seiner Zelle Gäste empfangen will.
Aber was ist „The World Tomorrow“ überhaupt? Im Prinzip nichts als ein Interview, das zwischen Assange und einem ausgewählten Gast durchgeführt wird, wobei dieser Gast entweder neben Assange sitzt, oder per Webcam zugeschaltet wird.
Auf die Gästeliste möchte ich gesondert eingehen. Zwei Präsidenten, ein Anführer einer „Terrorbewegung“, zwei Revolutionäre, von denen einer per Haftbefehl gesucht wird und ein Anderer ebenfalls unter Hausarrest steht...soll ich weiter machen? Mir fällt keine Show ein, die ein ähnliches Aufgebot hat. Höchstens „Frost over the World“ von David Frost, aber der Mann ist auch so etwas wie der Gott des Journalismus, berühmt geworden durch die legendären Interviews mit Richard Nixon, und seine Show läuft mehrere Jahre. Die Sendung von Assange hat sieben Folgen.
Aber auch Assange als Interviewer ist eine Bemerkung wert. Schließlich ist er, soweit ich weiß, kein Journalist. Aber er hat einiges durchgemacht und ist schon mehrfach, zumteil mit einer feindseligen Grundhaltung, interviewt worden und weiß daher, wie man so ein Gespräch neutral hält und wie man die richtigen Fragen stellt. Das kriegt er gut hin. Er lässt die Gäste erzählen, wenn mehrere Personen da sind, dann lässt er sie untereinander diskutieren und übernimmt nur die Rolle eines Streitschlichters, falls es ausartet.
Die Tatsache, dass er nicht für jemanden, einen Fernsehsender zum Beispiel, arbeitet, hilft ihm auch und verleiht ihm noch mehr Kredibilität in seiner Rolle als neutrale Partei. Das schlägt sich auch in der Gästeliste nieder. Mir fällt nämlich kein westlicher Journalist ein, der es geschafft hat, Hassan Nazrallah zu interviewen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Tatsache, dass die Interviews vollständig gesendet werden. Es wird nichts herausgeschnitten oder gekürzt.
Das Beste an der Sendung ist trotzdem der Informationsgehalt. Man erfährt unglaublich viel Neues, sowohl über Themen, die in der Vergangenheit von den Medien reichlich abgedeckt wurden und nun aus dem Blickfeld verschwunden sind, etwa die aktuelle Situation in Ägypten, wo die Revolution noch lange nicht vorbei ist, aktuell medienpräsente Themen, etwa die sich anbahnende Revolution in Bahrain, als auch über Themen, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekommt. Oder kann mir jemand die besondere Situation der Medien in Euquador schildern?
Bei all dem Lob gibt es doch einige Kleinigkeiten zu bemängeln. Zum einen die Kürze. Ab und an wirken die jeweils halbstündigen Interviews wie langgezogene Trailer, die dem Zuschauer die Sendung bloß schmackhaft machen und ihn auf ein acht oder neunstündiges (ich übertreibe leicht) Interview vorbereiten sollen. Andererseits interviewt er ja, wie oben bereits gesagt, auch Präsidenten, deren Zeit mit Sicherheit knapp bemessen ist. Desweiteren fällt mir auf, dass sich fast alle seine Gäste negativ über die USA oder deren Politik äußern. Ich will Julian Assange nichts unterstellen, aber mich beschleicht der Verdacht, dass er diese Sendung als Bühne für weitere Konfrontationen und Provokationen gegenüber den USA missbraucht. Mich als Zuschauer stört das nicht, es ist bloß schade, wenn er seine Gästeliste nach diesem Gesichtspunkt („möglichst US-kritisch“) auswählt und somit durchaus interessante, aber den Staaten wohlwollend gesinnte Personen nicht einlädt.

Wednesday, May 23, 2012

Mondscheinbrüder


Ich muss euch etwas beichten. Heute lief bei mir in der Wohnung den ganzen Tag Volksmusik und wird wahrscheinlich auch (zum Leidwesen meiner Nachbarn) die nächsten Tage laufen. Nein, ich habe keinen Hitzschlag, obwohl der bei den aktuellen Temperaturen vermutlich nicht lange auf sich warten lassen wird. Meine Oma ist auch nicht zu Besuch. Aber eigentlich rede ich auch nicht von „klassischer“ Volksmusik, also von den Sendungen auf ARD wo regelmäßig 5-10% aller Zuschauer bei wegsterben. Nein, ich rede von Kellerkommando, einer wunderbaren Band. Genauer gesagt rede ich von deren zweiter EP „Mondscheinbrüder“, die am 18.05. erschienen ist.

Wer sich in der Materie auskennt, wird bereits im Titel eine Anspielung auf ein schwäbisches Volkslied erkennen. Dieses Lied, so wie drei Andere, wurde von den Bandmitgliedern zum Teil mit alten Refrains neu vertont und mit einer wunderbar abgestimmten Mischung aus Instrumenten und digital erstellten Klängen versehen. Zwischen den äußerst einprägsamen und ohrwurmgefährdeten Hooks singt ein Mann in grauenhaftem fränkischen Akzent Texte, die sowohl exzessives Party machen und „Weiber abschleppen“, als auch Gesellschaftskritik behandeln. So sind unter Anderem Seitenhiebe auf zu dünne weibliche Schönheitsideale und die Überwachungspolitik der Regierung enthalten. Unterstützt wird der fränkische Sänger von einem Rapper, wodurch in einigen Liedern ein gewisser Gegensatz zwischen der „alten“ Volksmusik und dem „neuen“ Hip Hop entsteht.
Vielleicht ist es dieser Gegensatz, vielleicht aber auch die klangvollen Beats oder der Inhalt der Texte, jedenfalls ist diese EP ein einziger kleiner Stimmungsmacher, und darf auf keiner Party fehlen.
Natürlich wird sich dieser Wunsch wegen der gewaltigen Vorbehalte gegenüber Volksmusik (auch wenn die Bandmitglieder alle unter 30 sind) nicht durchsetzen, aber ich kenne die Wahrheit: Ich habe Kellerkommando auf einem Konzert in Leipzig gesehen (ich berichtete...glaube ich zumindest) und weiß, dass sie dort den ganzen Saal zum Beben gebracht haben.
Was mich auch zur Kritik bringt: Wieso nur sechs Lieder? Klar ist jedes Einzelne von denen überragend gut, aber bei besagtem Konzert wurden mindestens doppelt so viele Stücke gespielt. Andererseits weiß ich nun, dass Kellerkommando noch genug Stoff für andere, hoffentlich größere Releases hat.
Außerdem habe ich auf dieser EP Schokk vermisst, einen meiner Lieblingsrapper. Zwar hat die Band eine würdige Vertretung gefunden und ich vermute, dass Schokk zu dem Zeitpunkt, wo die EP aufgenommen wurde, in Russland war und dort einige Solo-Konzerte veranstaltet hat (ich berichtete), aber ohne ihn ist Kellerkommando bloß ein Kellerkomman. Etwas fehlt.

Friday, April 27, 2012

Melde mich zurück!

Na, habt ihr mich vermisst?

Entschuldigt bitte meine Abwesenheit, ich hatte durch die Uni (bzw. HS in meinem Fall) sehr viel zu tun. In der Zwischenzeit ist nicht viel passiert. Nicht viel Erwähnenswertes zumindest...ah, doch: Ich habe mein Manuskript zur Novelle "Wer ist CLAW?" mit Hilfe der Reizenden @DevanAmadeus (ihr Blog ist unter "lesenswert" verlinkt) überarbeitet und zu den Verlagen abgeschickt, mit deren Vertretern ich mich auf der Buchmesse unterhalten habe.

Außerdem habe ich ein neues Projekt begonnen, von dem ich euch gerne das erste Kapitel zeigen möchte:

Das Archiv:

„Eigentlich hätte ich nie gedacht, dass dieser Februartag etwas Besonderes wird. Er fing an, wie jeder andere Tag auch. Ich stand auf, ging die morgendlichen Rituale im Badezimmer durch, zog mich an, ging einkaufen und stellte mir dann aus den gekauften Zutaten etwas Essbares her. Dann setzte ich mich an den PC und verbrachte den halben Nachmittag damit, Pixelsoldaten mit Pixelwaffen die Pixelhirne aus den Pixelschädeln zu schießen. Gegen Abend rief ein Kumpel an und lud mich in eine Kneipe ein. Ich sagte zu, er holte mich mit einem anderen Kerl im Schlepptau ab und wir gingen los. Da wir mit der Bahn fuhren und sowieso am Haupbahnhof umsteigen mussten, entschlossen wir uns dazu, vorher noch etwas zu essen, also nahmen wir Kurs auf das nächste Fastfood-Restaurant. Wir aßen schon eine ganze Weile, als mich einer meiner beiden Begleiter auf ein Mädchen aufmerksam machte, die auf an einem Tisch in der Ecke saß und irgendetwas in ihren Laptop tippte.
„Sie starrt schon die ganze Zeit zu dir herüber. Kennst du sie?“, fragte er. Ich sah zu dem Mädchen,  gerade als sie vorsichtig von ihrem Desktop heraufsah. Für einen kurzen Moment blickte ich in ihre  dunklen Augen, bevor sie weg sah. Der Moment war lang genug, um zu sehen, dass sie keine Schminke benutzte, und um zu erkennen, dass sie etwa in meinem Alter war. Vielleicht ein bis zwei Jahre jünger.  Selbst, als sie sich hinter der improvisierten Deckung ihres Laptops versteckte, entging mir nicht, wie sich langsam die Farbe ihres Gesichts veränderte und sie sichtlich errötete.
„Ich glaube, sie mag dich.“, sagte der andere Kerl. Ich zuckte mit den Schultern, obwohl ich sie recht niedlich fand. Meine Gedanken versuchten gerade, sich daran zu erinnern, wann ich sie gesehen haben könnte. Aber mir fiel nichts ein.
„Ich kenne sie nicht.“, sagte ich. Mein Kumpel grinste.
„Dann lernst du sie halt kennen.“, erwiderte er und gab mir einen leichten Schubser. Zögernd stand ich auf und bewegte mich auf ihren Tisch zu. Sie sah hoch, ihre Augen waren vor Überraschung geweitet, gleichzeitig verspannte sich ihre Körperhaltung. Sie war anscheinend nicht vorbereitet auf ein Gespräch.
„Hi. Wie geht's“, fragte ich. Es war nicht der beste Anmachspruch, aber in den wenigen Sekunden, die mein Hirn Zeit hatte, zu überlegen, war mir nichts Besseres eingefallen. Sie zuckte mit den Schultern. Ich hob eine Augenbraue. Mit so einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Dann fiel mir der Koffer auf, der unter ihrem Tisch stand. Vielleicht war sie auch einfach nicht aus Deutschland und konnte die Sprache nicht. „How are you?“, versuchte ich es auf englisch.
Die Reaktion war die Selbe. Sie deutete auf ihren Mund, dann zuckte sie mit den Schultern. Der pessimistische Teil meines Hirns schlug mir einen unangenehmen Gedanken vor, den ich einer kaum merklichen Kopfbewegung wieder vertrieb. Stattdessen formte ich mit meinen Händen ein imaginäres Viereck, dann tat ich so, als würde ich einen unsichtbaren Stift in der Hand halten. Das Mädchen zog ein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus ihrer Jackentasche, kritzelte hastig etwas auf ein leeres Blatt, dann schob sie das Büchlein zu mir, wobei sie verlegen, fast schon schuldbewusst, zu Boden sah.
„Ich bin taubstumm“, stand auf der sonst leeren Seite. Ich lächelte, nahm den Kugelschreiber und schrieb meine Antwort.
„Ich wollte eigentlich nur den Stift und den Zettel haben. Hallo, ich bin Arthur. Wie geht’s dir?“
Sie betrachtete den Zettel einen kurzen Moment, dann lächelte sie. Ich wusste selbst nicht genau, wieso ich so geantwortet habe, aber ich wusste, dass ich mir Vorwürfe machen würde, hätte ich es nicht getan. Als sie mir den Zettel zurückreichte, stand darauf. „Ich bin Linda, und mir geht es wunderbar!“
Ich sah sie an und blickte in das schönste Lächeln, das ich je gesehen habe.“
Die Frau zu meiner Linken sieht mich erwartungsvoll an. „Und dann?“
„Dann haben wir uns unterhalten. Als ihr Notizbuch voll war, bin ich losgegangen und habe ein Neues gekauft. Als sie fahren musste, habe ich mir auch eine Fahrkarte gekauft und bin mit ihr gekommen.“
„Und deine Freunde?“
„Die sind ohne mich in die Kneipe gegangen.“
„Fühlten die sich nicht im Stich gelassen?“
Ich schüttle den Kopf.
„Die haben es mir doch selbst vorgeschlagen.“
Die Frau nickt. „Und was ist danach passiert?“
„Dann haben wir fünf wunderschöne Tage miteinander verbracht.“
Jedes dieser Worte spreche ich extra langsam aus und bewege meinen Mund übertrieben. Linda sitzt mir gegenüber, liest meine Lippen und lächelt ununterbrochen. Als sie sieht, was ich gerade gesagt habe, nimmt sie ein Blatt Papier vom Stapel auf dem Tisch und schreibt etwas auf. Dann faltet sie den Zettel und schiebt ihn mir zu.
„Jedes einzelne dieser Worte ist ein Grund mehr, dich zu lieben!“, steht da. Ich forme meine Lippen zu einem Kuss.
„Sagt mal, ist das nicht auf Dauer anstrengend, die ganze Zeit Zettelchen zu schreiben?“, will der Junge wissen, der rechts von mit sitzt. Ich schüttle den Kopf.  „Nein, Dima. Überhaupt nicht.“
Er hebt eine Augenbraue. „Echt nicht? Mir tat nach fünf Stunden Abi-Klausur schon der Arm weh.“
„Dann hast du wohl nicht genug trainiert, würde ich sagen.“, pariere ich.
Die Frau beginnt zu lachen. „Der war gut, Arthur!“
Ich nicke. „Ja Nora, der ist auch von mir.“
Dima schaut mich mit gespielter Empörung an. „Immer auf den Kleinen, oder was?“
„Nein, immer auf den Antiromantiker!“, kontert Nora. Plötzlich fällt mir etwas ein.
„A propos romantisch.“, sage ich, dann nehme ich den Zettel, den mir Linda vorhin gereicht hat, schreibe das Wort „Archiv“ darauf und schiebe ihn zu ihr herüber. Sie nickt, dann steht sie auf und holt einen dicken, roten Aktenordner aus dem Regal. „Sehr wichtig!“ steht an der Seite.
Sie legt den Ordner auf den Tisch. „Hier ist jedes Gespräch abgeheftet, das wir je geführt haben. Vom ersten Flirt bis heute.“, sage ich. Nora legt sich beide Hände an die Wangen. „Nein, wie süß.“, piepst sie. Ich nicke. Dima streckt die Arme in die Höhe.
„Bist du müde?“, frage ich. Er schüttelt den Kopf.
„Er will bloß nicht über fremde Beziehungen reden.“, erklärt Nora. Dima nickt kaum merklich.
„Wir hatten uns zum Karten spielen verabredet...“
„...was wir auch gemacht haben, bis du wissen wolltest, wie sich Arthur und Linda kennen gelernt haben.“, fällt Nora ihm ins Wort. Er schaut betreten zu Boden. „Okay, okay.“
Dann blickt er zu mir. „Sei mir nicht böse, aber ich finde einfach, dass eine Beziehung, in der man die Stimme des Partners oder der Partnerin nicht hört, für mich undenkbar wäre.“
„Worte können lügen, Taten nicht.“, entgegne ich.
„Aber auch geschriebene Worte können lügen, oder?“, kontert er. Nora steht auf.
„Dima, komm, wir gehen. Bevor du noch mehr Schaden anrichtest.“, sagt sie. Irgendetwas in ihrem Tonfall sagt mir, dass zuhause ein ernstes Gespräch auf Dima wartet. Als Nora aufsteht, steht auch Linda auf. Die beiden Frauen umarmen sich. Ich öffne die Tür, vor der Dima steht, wie ein Hund, der dringend sein Geschäft verrichten muss.
Der Blick, den Nora Dima zuwirft, als die beiden an mir vorbei gehen, sagt alles. Dima tut mir Leid. Denn wenn es etwas gibt, was sie nicht mag, ist es, wenn er ihr irgendetwas Romantisches kaputt redet. Sie ist eine Träumerin, er ein kalter Realist. Im nächsten Moment dreht sich Nora zu mir um.
„Tschüüüs.“, zwitschert sie, dann verschwindet sie zusammen mit Dima im Aufzug. Ich mache die Tür zu. Linda steht neben mir und hält mir einen Zettel hin. „Du liebst sie, nicht wahr?“, steht darauf. Ich schüttle den Kopf und bemerke, dass sie mir keinen Stift hinhält. Die Botschaft ist eindeutig: Sie gibt mir gar nicht die Chance, etwas zu antworten. Ich gehe an ihr vorbei ins Wohnzimmer und nehme den Kugelschreiber, der auf dem Tisch liegt. Die ganze Zeit über beobachtet sie mich ausdruckslos. Ich nehme ihr den Zettel aus der Hand und schreibe. „Ich liebe nur dich!“. Sie nimmt mit den Stift und den Zettel ab und schreibt ihre Antwort. Dann reicht sie mir das Blatt. „Ich habe gesehen, wie du sie angeschaut hast, wie ihr gelacht habt...“, weiter lese ich gar nicht. Stattdessen zerknülle ich den Zettel, dann schlinge ich meine Arme um ihren Körper und drücke sie an mich. Sie drückt ihren Kopf an meine Brust und im nächsten Moment spüre ich ihren Torso beben, während sie anfängt, zu schluchzen. Meine Hand gleitet sanft über ihr schwarzes Haar, doch zu meiner Überraschung verstärkt sich das Schluchzen. Nach einigen Minuten löst sie sich aus meiner Umarmung, nimmt mir das Papier und den Stift ab und beginnt, etwas aufzuschreiben, wobei ihr immer noch letzte Reste von Tränen über die Wangen fließen.
„Du kannst ihre Stimme hören, aber meine nicht!“, steht auf dem Zettel.
„Das war mir schon klar, als ich dich kennen gelernt habe. Ich wusste, worauf ich mich einließ, Schatz! Glaub mir!“, antworte ich.
Sie sieht auf das Blatt, dann lächelt sie. Ich deute auf den roten Ordner. Linda nickt, und heftet den zerknüllten Zettel ein. Gerade, als sie den Ordner in das Regal zurückstellen will, lege ich ihr meine Hand auf die Schulter und forme das Wort „lesen“ in Gebärdensprache. Eines der wenigen, die ich bisher kann. Sie nickt und legt den Ordner wieder auf den Tisch. Zu meiner Überraschung holt sie den Zettel wieder heraus, den sie eben eingeheftet hat und schreibt etwas darauf.
„Tut mir leid wegen dem Gespräch eben. Ich bin wahrscheinlich einfach müde und sollte jetzt schlafen gehen.“
„Das ist vermutlich besser. Schließlich ist es schon spät. Ich will noch etwas im Archiv lesen.“
Sie nickt, dann gibt sie mir einen Kuss und geht in ihr Zimmer.

Meine Blase weckt mich. Ich stehe langsam auf und bewege mich zum Klo. Plötzlich bemerke ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel. „Schatz?“, rufe ich instinktiv, doch dann erinnere ich mich wieder daran, dass es sinnlos ist, etwas zu rufen. Mein Pulsschlag verdoppelt sich. Ist ein Einbrecher hier, oder haben meine Sinne mich bloß getäuscht. Vorsichtig bewege ich mich in die Richtung, aus der der Schatten zu kommen schien. Zu meiner Rechten befindet sich die geöffnete Tür meines Arbeitszimmers. Hat es der Dieb etwa...ein lautes Niesen durchbricht die Stille, gefolgt von einem leise gezischten Fluch. Ich hebe die Arme vor die Brust und mache einen weiteren Schritt vorwärts. Auf einmal erwacht die Dunkelheit zum Leben. Eine schwarze Silhouette löst sich aus den Schatten und stürmt auf mich zu. Ehe ich mich versehe, liege ich auf dem Boden. Wenige Sekunden später höre ich, wie die Tür zuknallt. Langsam rapple ich mich auf und gehe ins Arbeitszimmer. Es sieht genau so aus, wie ich es verlassen habe, sogar der Computer und der Laptop stehen noch. Dann gehe ich zurück zum Wohnzimmer. Als ich einen kurzen Blick auf den Tisch werfe, stockt mir der Atem. Der Ordner ist weg.