Viele haben sich vermutlich gefragt, was ich in letzter Zeit so treibe. Die Antwort ist einfach: Studium, yatu und zwei Filmreviews, nach Zeitaufwand sortiert. Naja, nicht ganz. Gestern hat der National Novel Writing Month angefangen. Dort geht es daruim, innerhalb eines ganzen Monats (01.-30.11) einen Roman zu schreiben, der 50000 Wörter oder mehr umfasst.
Ich habe diesbezüglich zwei Dinge für euch.
1.) Einen von mir geschriebenen Pep-Talk, also eine Art Motivationsschreiben, was euch zum weitermachen motivieren soll. Hier ist das gute Stück:
Ich will euch eine Geschichte erzählen. Es gab da einen jungen Mann,
sein Name war Wrimo. Und jedes Jahr pünktlich am ersten November,
machte er sich auf, um in ein fernes Land zu reisen. Ein Land, was
niemand zuvor betreten hatte. Wrimo wollte dieses Land erkunden, es
beschreiben und kartographieren. Einige Dinge, die er bereits wusste,
hatte er in einem kleinen Notizbüchlein gesammelt, etwa die
voraussichtlichen Meilensteine seiner Etappe, Informationen über
Weggabelungen und Kurven, außerdem eine Liste von Personen, denen er
begegnen wollte. Manchen wollte er helfen, andere wollte er töten.
Dies war unvermeidlich, damit er seine Reise fortsetzen konnte. Als er
das Land betrat, nickte er zufrieden. Es sah alles genau so aus, wie
er erwartet hatte. Er beschrieb, beobachtete und legte dann eine Rast
ein, kaum hatte er das Ziel erreicht, das er sich für den ersten Tag
gesetzt hatte. Am zweiten Tag bemerkte er, dass er beschattet wurde.
Er zückte seinen Kugelschreiber, das Einzige, was ihm als Waffe dienen
konnte, und drehte sich um.
„Warum folgst du mir, Fremder?“, wollte er wissen, während er den Baum
beäugte, hinter dem er die Person vermutete. Ein verhaltenes Lachen
antwortete ihm, und im nächsten Moment trat eine Frau aus dem
Versteck. Sie trug einen Umhang aus einer undefinierbaren,
schillernden Farbe, die ständig wechselte, die Spitzen, welche im Wind
wehten, schienen mit der Umgebung zu verschmelzen. Sie hatte eine
Kapuze aufgesetzt, so tief, dass man nur Dunkelheit anstelle eines
Gesichts sah.
„Ich passe auf dich auf“, entgegnete die Frau. Wrimo runzelte die
Stirn. Er brauchte keinen Beschützer, dieses Land barg keine Gefahren
für ihn. Zumindest das wusste er sicher.
„Indem du mich verfolgst?“, wollte er wissen. Sie nickte.
„Das habe ich schon immer. Du hättest mich vermutlich überhaupt nicht
bemerkt, wenn ich mich nicht entschlossen hätte, mich dir zu
offenbaren.“
„Warum das?“, fragte Wrimo. Er glaubte der Frau kein Wort.
„Um dich zu warnen. Die Reise ist nicht so berechenbar, wie du es dir
vorstellst. Du wirst bald feststellen, dass der Weg, den du gehst,
uneben ist, und voller Fallen. Schilder mit verlockenden Angeboten
werden dich fehlleiten, und ich fürchte, es wird dir erst auffallen,
wenn du schon ein ganzes Stück gewandert bist, und nicht mehr zurück
kannst. Denn wenn du zurückkehrst und einen anderen Weg gehst, wirst
du nicht mehr rechtzeitig zum Ziel kommen. Außerdem werden Probleme,
die den Menschen hier auferlegt wurden, schneller gelöst, als du es
aufschreiben kannst, oder sie erwachsen zu monumentalen Hindernissen,
an denen die Helden zerbrechen. Deine Karte vom Weg ist auch
unzuverlässig. Manche Abschnitte sind kürzer, als du dir das
vorstellst, somit kann es sein, dass du dein Tagesziel nicht
erreichst.“
Das waren keine rosigen Aussichten für Wrimo. Wollte diese Frau ihn
von seinem weiteren Weg abbringen?
„Warum sagst du mir das alles?“
„Weil ich möchte, dass du dir darüber im Klaren bist, dass dieser Weg
nicht leicht ist. Doch du kannst es mit meiner Hilfe schaffen. Wann
auch immer du dich mit einem Problem auf deiner Reise konfrontiert
siehst, sei zuversichtlich, dass du es lösen kannst. Du bist der Herr
dieser Welt. Es gibt immer einen Ausweg, solange du gewillt bist, ihn
zu suchen. Oder einen Weg, der um das Hindernis herum führt. Und wenn
du dein Tagesziel einmal nicht erreichst, dann wanderst du am nächsten
Tag halt schneller. Wenn du alleine nicht weiter kommst, werde ich
eingreifen und dir Lösungen aufzeigen, doch du wirst mein Eingreifen
nicht bemerken“, erklärte sie, dann machte sie einen Schritt zurück.
„Ich muss jetzt gehen. Aber schau mal hoch“, fügte sie hinzu. Wrimo
warf einen Blick auf den Himmel, und bemerkte, dass etwas seine Sicht
trübte. Er griff nach dem Hinderniss, zog es vor seinen Körper und
betrachtete es kurz. Dann lächelte er, und lies den Gegenstand los,
woraufhin er wieder an seinen ursprünglichen Platz über Wrimos Schädel
zurück kehrte.
„Ich weiß zwar schon genug, aber eine Frage habe ich noch. Was macht
diese Glühbirne über deinem Kopf?“, wollte er wissen.
„Sie leuchtet, wenn es dunkel wird, und liefert dir Ideen“, sagte die
Frau, und begann, sich langsam in Luft aufzulösen.
„Verrat mir zum Abschied doch deinen Namen“, bat Wrimo.
Der Kopf, der inzwischen als einziger übrig geblieben war, nickte.
„Ich habe viele Namen. Aber die meisten nennen mich...“, sie legte
eine kurze Pause ein, „...Inspiration.“
Dann verschwand sie vollständig.
Ich habe euch diese Geschichte nun erzählt, wie sie mir überliefert
wurde, so dass auch ihr sie weiterverbreiten könnt. Und seit gewiss,
die Inspiration wacht über uns alle, und im richtigen Augenblick wird
sie uns Ideen schicken.
2.) Das erste Kapitel des NaNo-Romans. Es ist zwar fertig geschrieben, aber noch völlig roh, nicht überarbeitet und unzensiert. Genießt es trotzdem. Versucht es zumindest:
Kapitel 1 Unter Brüdern
Wasser. Wasser, soweit das Auge reicht. Es glänzt unter mir
im Licht der Sonne, als würde das Meer aus Glühwürmchen bestehen. So etwas habe
ich noch nie gesehen. Es ist so schön, und doch unbehaglich. Ich bin es
gewöhnt, festen Boden unter meinen Füßen zu haben. Im Moment ist es nur die
fragile Hülle eines Transporters. Vielleicht mögen wir von der Ymir
deshalb auch keine Fluggeräte: Wir wollen einfach nicht fallen. Zumindest nicht
tief. Außerdem ist man in der Luft eventuellen Feinden schutzlos ausgeliefert.
Am Boden kann man sich zum Beispiel aus dem Wrack eines Fahrzeugs befreien,
wenn man angegriffen wurde. Wenn man einen Angriff in der Luft überlebt, wird
man von der Schwerkraft erledigt.
„Alpha?“, kommt eine Stimme aus dem Cockpit. Ich stehe auf
und bewege mich zum Piloten.
„Ja, Olaf?“, entgegne ich und lege dem Piloten meine Hand
auf die Schulter.
„Wir wurden gerade von der Leviathan angefunkt. Sie
verlangen eine Identifikation“, erklärt er und löst einen kleinen, schwarzen
Gegenstand vom Armaturenbrett.
„Mein Name ist Björn, ich bin Gesandter des Carriers Ymir:
Wir erbitten Landefreigabe.“
Ein kurzes Schweigen an der anderen Leitung, dann die
Antwort.
„Erteilt. Station 26, auf dem Oberdeck.“
„Verstanden“, antworte ich. Irgendwie fühle ich mich wohler,
wenn ich stehe. Vielleicht, weil man im Stehen besser reagieren kann. Auch wenn
es im Flugzeug keinen Unterschied ist. Ich bemerke, wie ich die ganze Zeit mit
meinen Fingerspitzen gegen die Rücklehne des Pilotensitzes geklopft habe. Warum
bin ich bloß so nervös? Liegt es am Fliegen? Es ist nicht mein erstes Mal.
Möglicherweise liegt es am Bestimmungsort. Die Ymir war noch nie gut auf
diese ominöse Carrier-Bruderschaft zu sprechen gewesen. Sie denken, sie sind
die mächtigsten, nur weil sie eine Söldnerarmee hinter sich haben. Aber zu
wenige Ressourcen, um sie aufrecht zu erhalten, weshalb sie sich die Rohstoffe
einfach von Anderen nehmen. Nomaden zum Beispiel. Eine merkwürdige Logik. Sie
leben im Wohlstand, aber nur auf Kosten Anderer. Überfälle auf unsere Minen,
vermutlich durchgeführt von Söldnern unter der Federführung der Bruderschaft,
waren schließlich auch der Grund für den Bau des Stählernen Walls. Und wegen
ihm sind wir hier, nehme ich an. Meine Hand greift zur Klinge, die an meinem
Gürtel befestigt ist. Wir werden uns nicht rechtfertigen. Vor niemandem! Am
Horizont wird langsam eine Insel erkennbar. Oder zumindest etwas, was einer
Insel ähnelt, denn das Gebilde, was da auf dem Wasser schwebt, ist von der Form
her viel zu regelmäßig, um natürlichen Ursprungs zu sein. Tatsächlich. Als wir
näher kommen, bemerke ich, dass die Insel aus Metall ist. Ein Wall umgibt sie
von allen vier Seiten, wahrscheinlich ein Schutz gegen die Wellen. Ich blicke
auf Hangars, Rollfelder und Kontrolltürme. Außerdem sehe ich Reihen von Runden
Abdeckungen, die die selbe Farbe haben, wie der Rest der Oberfläche.
Raketenbatterien. Wozu macht man sich die Mühe, sie zu verstecken? Wäre es
nicht wesentlich effektiver, alle Waffen offen zur Schau zu stellen, um den
Gegner einzuschüchtern? Der Platz, der uns zugeteilt wurde, befindet sich am
äußersten Ende der Ansammlung leuchtender Kreise. Das muss der Bereich des
Carriers sein, der für Senkrechtstarter reserviert ist. Einige Leute haben sich
versammelt. Anscheinend ist dies eine Art Ehrengarde. Ich greife an meinen
Gürtel und hole eine weiße Schiene mit zwei Zacken hervor, dann schiebe ich sie
mir in den Mund. Dieses Ding ist das Erkennungsmerkmal unseres Clans. Wenn ich
jetzt den Mund öffne, sieht man nur zwei lange, weiße Zähne. Mit der richtigen
Grimasse kann dies ziemlich einschüchternd sein. Außerdem ist es ein
Mundschutz. Jeder Ymirit hat so einen und setzt ihn immer auf, wenn er in den
Kampf zieht.
Ich werfe einen letzten Blick auf die Wellen vor mir, dann
drehe ich dem Cockpit den Rücken zu und warte darauf, dass sich die Heckklappe
öffnet. Wie von allein gleitet meine Hand wieder zu meiner Klinge. Ich hatte
recht. Die Leute von der Leviathan haben tatsächlich ein
Begrüßungskommitee zusammen getrommelt. Zehn Soldaten, alle in einer Schwarzen
Uniform, die von grauen Linien durchzogen wird. Sie stehen in zwei Reihen, das
Gesicht zum Flieger gerichtet. Am anderen Ende dieser menschlichen Gasse steht
ein Mann und stützt sich auf seinen Krückstock. Als ich den Transporter
verlasse, bemerke ich, dass sich in einigem Abstand Schaulustige versammelt
haben. Kein Wunder, Menschen von der Ymir sind hier selten, und erst
recht keine so gut aussehenden. Als ich die ersten Soldaten passiere, bemerke
ich, dass sie sich umdrehen, und in die entgegengesetzte Richtung schauen. Als
würden sie mich beobachten.
Es dauert nicht lange, bis ich den alten Mann erreiche, der
anscheinend den Trupp anführt.
„Wir hatten Kommandant Leif persönlich erwartet“, sagt er
mit heiserer Stimme. Was ist das für eine Begrüßung?
„Stattdessen habt ihr mich. Was macht es für einen
Unterschied?“, will ich wissen, während ich die Arme verschränke und mich
demonstrativ vor ihm aufbaue.
„Spar dir die Drohgebärden für später auf“, sagt der Kerl,
dann dreht er sich um und geht.
Ich folge ihm in einigem Abstand, meine Hand ruht stets an
meiner Klinge. Ich bin auf feindlichem Gebiet, also werde ich mich nicht
benehmen, wie ein Freund. Man führt mich quer über die Landebahn. Auf einmal
öffnet sich direkt vor unserer Nase ein Spalt im Boden, zwei Platten, identisch
gefärbt, wie die Landebahn, schieben sich zur Seite und geben den Blick auf
eine Treppe frei, die nach unten führt. Warum zum Teufel müssen diese Leute
immer alles verbergen? Bei uns gibt es ein Sprichwort diesbezüglich: „Der
Carrier ist der Spiegel zur Seele“. Unserer ist groß, stark und stellt alles
zur Schau, was er besitzt. Dieser hier ist unförmig und verbirgt alles, was man
nur verbergen kann. Niederträchtig. Unten stehen weitere Soldaten, alle ähnlich
angezogen, wie das Empfangskommitee, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass
sie nicht ihre Standartuniform tragen.
Man führt mich in einen Konferenzraum. Gegenüber der Tür
befindet sich eine holographische Projektion einer Unterwasserlandschaft. Davor
stehen einige Tische, die in einem Halbkreis aufgestellt sind. Die zwei Enden
zeigen in meine Richtung. Außer mir befinden sich nur drei weitere Personen im
Raum. Eine Frau mittleren Alters mit lila Haaren und einem schwarzen Mantel,
der einen überdimensionierten Kragen hat, sowie einen bärtigen, groß
gewachsenen Mann.
„Wo sind die Abgesandten der Titanen?“, frage ich. Der alte
Mann zuckt mit den Schultern.
„Was macht das für einen Unterschied, ob du uns Rede und
Antwort stehst, oder denen?“, fragt er.
Rede und Antwort stehen? Ich stehe niemandem Rede und
Antwort.
„Erlaube mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Hiob, ich bin
Kommandant des Carriers Behemoth, dies ist Viola von der Nephilim
und zu meiner Rechten befindet sich unser Gastgeber, Jonathan, Kommandant der Leviathan.“
Ich nicke kurz. Mich interessiert nicht, wer mir gegenüber
steht, mich interessiert, was diese Leute wollen.
„Warum bin ich hier?“
„Damit wir gewisse...Maßnahmen deines Carriers begreifen“,
erklärt Hiob.
„So, so. Welche wären das?“
Hiob lehnt sich zurück und formt mit seinen knöchrigen
Fingern eine Pyramide.
„Letzte Woche ist einer unserer Konvois einem...wie nennen
sie es...ach ja, Wolfsrudel ihres Carriers zum Opfer gefallen.“
Ich schüttle den Kopf.
„Das waren Späher!“, entgegne ich . Hiob kneift seine Augen
zusammen.
„Späher, getarnt als Schwerlasttransporter?“
„Im Laderaum kann man hervorragend Sensoren unterbringen!“,
unterbreche ich ihn.
„Aber dafür ist man jeglichem Angriff schutzlos
ausgeliefert.“
„Nicht, wenn man über genügend Luftunterstützung verfügt.
Oder gehörten die zwei Jäger, die wir vom Himmel geholt haben, etwa nicht
ihnen?“, entgegne ich.
„Sie gehörten einer Söldnergruppe an, die in der
Vergangenheit mit uns zusammengearbeitet hat. Es ist ein offenes Geheimnis,
dass die Behemoth die Ausrüstung für unsere...Hilfstruppen stellt“, sagt Viola
in einem beeindruckend ruhigem Ton. Ja. Diese Tatsache ist mir bekannt.
„Greifen diese Söldner deshalb nur Minen an, die uns
gehörten?“
Viola schüttelt den Kopf. „Deshalb wurden sie entlassen.“
„Ich glaube ihnen nicht!“
Hiob zuckt mit den Schultern.
„Das steht dir frei. Wir, und damit meine ich die gesamte
Bruderschaft, sind sehr besorgt über die Politik ihrer Führung. Durch Angriffe
auf zivile Fahrzeuge und militärische Ziele der Bruderschaft machen sie sich
nicht beliebt.“
„Das gilt auch für ihre Spionageaktionen.“
„Was hätten wir auskundschaften sollen, an einem Ort mitten im
vereisten Niemandsland?“
Ich öffne meinen Mund zum Sprechen, doch dann halte ich
inne. In dem Gebiet, wo wir den vermeintlichen Transporter gefunden haben,
befindet sich eins unserer geheimen Projekte. Eigentlich hätte niemand davon
erfahren sollen, was sich dort befindet. Deshalb haben wir nicht gezögert,
sondern den Schwerlasttransporter, der sich angeblich bloß verfahren hat, ohne
zu Zögern zerstört. Ebenso die beiden Jäger, die wahrscheinlich geschickt
wurden, um nach dem Späher zu sehen. Jetzt darf ich bloß nicht die Information
preisgeben, die sie erbeuten wollten. Ich bemerke, dass Hiob mich gespannt
anschaut. Er wartet nur darauf, dass ich mich verplappere. Aber das wird nicht
passieren, dafür beherrsche ich mich zu gut.
Plötzlich klappt sich der Tisch vor Jonathan auf und ein
Monitor kommt zum Vorschein. Wie viel wollen diese Leute noch verstecken? Der
Kommandant des Carriers wirft einen kurzen Blick auf die Anzeige, dann runzelt
er die Stirn.
„Sagen sie...“, er hält inne, weil er meinen Namen nicht
kennt.
„Björn. Oder ehrenwerter Alpha, wenn sie mich beim Rang
nennen wollen“, erwidere ich und strecke die Arme etwas vom Körper, wodurch ich
muskulöser wirke, als ich eigentlich bin.
Jonathan lässt sich nichts anmerken.
„Warum haben sie uns nicht darüber informiert, dass weitere
Ymiriten ihnen folgen?“
„Was?“
„Drei Transporter sind soeben auf unserem Radar erschienen.
Sie haben Landefreigabe erbeten und drei gültige Kennungen übermittelt. Wie
wollen wir verfahren, Alpha?“
Mir entgeht der leicht amüsierte Tonfall nicht, mit dem er
das Wort „Alpha“ ausspricht. Das wird er noch bereuen, nachdem ich
herausgefunden habe, was die Verstärkung von der Ymir hier will.
Zweifelt Leif an meinen Fähigkeiten? Warum setzt er sich dann nicht mit mir in
Verbindung? Und warum schickt er gleich drei Transporter?
„Möglicherweise sind dies Händler“, wirft Viola ein.
Jonathan schüttelt den Kopf.
„Wir erwarten keine Händler von der Ymir“
„Lassen wir sie landen“, sagt Hiob. Jonathan nickt.
„Wie ihr wünscht.“
„Kommandant Hiob. Wir wissen nicht, was sich an Bord dieser
Transporter befindet“, sagt Viola.
Er nickt. „Das ist wahr. Aber wir haben keinen Grund zu der
Annahme, dass sich darin etwas befindet, was uns gefährlich werden könnte.
Oder?“, sagt er und dreht sich zu mir. Ich schüttle den Kopf. Jonathan steht
auf.
„Würden sie mich begleiten, Björn? Ich bin sicher, die
Mitglieder des Rudels werden hoch erfreut sein, zu sehen, dass ihr Alphatier am
Leben ist.“
Ich balle meine Faust und beobachte aus dem Augenwinkel, wie
eine der Wachen, die bisher unauffällig an der Tür gelehnt haben, ihr Gewehr
etwas fester umklammert. Der Mann hat Angst. Das sollte er auch. Wir von der Ymir
sind berüchtigt für unsere Wildheit und unseren Kampfgeist. Das kann er nicht
ausgleichen, auch nicht durch bessere Bewaffnung. Denn was nützt eine Waffe,
wenn man nicht bereit ist, sie zu benutzen? Ich werfe ihm einen grimmigen Blick
zu und beobachte amüsiert, dass er seine Finger noch fester an die Waffe
klammert (klingt scheiße, ändern).
Ich folge Jonathan aus dem Raum, im Vorbeigehen fletsche ich
meine künstlichen Zähne dem verängstigten Soldaten entgegen.
Wir gehen den selben Weg, den wir gekommen sind, dann hinauf
zur Treppe. Die Transporter sind bereits in Sichtweite, man hört das Tösen
ihrer Triebwerke. Ich bemerke, dass inzwischen mehr Soldaten an Deck gekommen
sind, sie haben schwarze Uniformen an, die in regelmäßigen Abständen von blauen
Linien durchzogen werden. Also ist dies die wahre Uniform.
Einer der Transporter beginnt den Landeanflug. Er sieht aus,
wie ein Keil, an dem in regelmäßigen Abständen Triebwerke befestigt sind. Diese
Fluggeräte sind auf größere Lasten ausgelegt, als der Flieger, der mich hierher
gebracht hat. Langsam öffnet sich die Frachtluke, und ein Jeep fährt heraus.
Das sind Fahrzeuge des Wolf-Typs, aber irgendwie sehen sie nicht so aus wie
diejenigen, die von der Ymir verwendet werden. Kaum hat das Fahrzeug den
Transporter verlassen, folgt ein zweites, dann ein drittes. Auch die zwei
anderen Fluggeräte haben die selbe Fracht.
„Was geht hier vor?“, will Jonathan wissen, doch ich habe
keine Zeit zum Antworten, denn im nächsten Moment eröffnet einer der Jeeps das
Feuer. Sofort gehen einige Soldaten von der Leviathan zu Boden. Ich ziehe meine
Klinge, doch bevor ich mich versehe, spüre ich Jonathans Waffe an der Schläfe.
Gleichzeitig hebt er seinen anderen Arm. Ein Gerät wird an einem Unterarm
sichtbar. „Fracht hoch“, sagt er. Im nächsten Moment rast einer der Jeeps
direkt auf uns zu, an seiner Stoßstange ist eine Schaufel angebracht, die mit
Stacheln verziert ist. Jonathan richtet seine Waffe auf den Wolf. Ich bemerke
erstaunt, dass es eine Armbrust ist, das Erkennungszeichen aller Soldaten der
Behemoth. Anscheinend auch der Leviathan. Ein kurzes Zischen ertönt. Ich sehe
das Projektil nicht, aber die Explosion, die das Fahrzeug in einen Feuerball
hüllt, überzeugt mich davon, dass er getroffen hat. Sekundenbruchteile später
fliegt die brennende Karosserie über unseren Köpfen hinweg. Aus dem Augenwinkel
erhasche ich eine Bewegung. (Hier muss noch was hin!) Ein kurzer Blick zu
Jonathan. Er hat sich umgedreht und blickt auf das brennende Wrack. Sofort
nutze ich meine Chance und springe zur Seite, gerade als sich etwas aus dem
Boden erhebt. Augenblicke später bin ich im Liegen auf der Höhe von Jonathans
Kopf. Hier oben wird er nicht nach mir suchen, das heißt, ich bin sicher.
Schade, dass ich keine Gewehre oder Ähnliches dabei habe. Mein Blick gleitet zu
Jonathans Armbrust. Eine wunderbare Waffe. So klein und unscheinbar, aber doch
so mächtig, was vor allen Dingen an den vielfältigen Modifikationsmöglichkeiten
für die Geschosse liegt. Eben hat Jonathan zum Beispiel ein
Hochexplosivgeschoss verwendet. Derweil sind entlang des gesamten Decks
Container aus dem Boden gewachsen. Ein genialer taktischer Zug, es erschwert
das Manövrieren, verlangsamt somit die Wölfe, die sonst vor allem durch ihre
Schnelligkeit punkten, außerdem bietet es zusätzliche Deckung. Für Infanterie,
aber auch für mich. Irgendwo weiter hinten sticht plötzlich eine Flamme in den
Himmel, mehrere Sekunden später erhebt sich ein weiterer Container an derselben
Stelle. Anscheinend war der Wolf zu schnell unterwegs. Plötzlich höre ich unter
mir Schritte. Zwei Soldaten lehnen sich an meinen Container. Sofort zücke ich
meine Klinge. Wenn ich da jetzt herunter springe, habe ich die Beiden erledigt,
ehe sie mich überhaupt bemerken. Auf einmal kommt ein Wolf mit quietschenden
Reifen zum Stehen. Ich sehe das sadistische Grinsen des Schützen, als er seine
Waffe auf die beiden Soldaten richtet. Ein Grinsen gleitet über meine Lippen.
Das ist die Blutrache für die zerstörten Wölfe. Doch dann bemerke ich, dass
sich das Geschütz von der Standartausrüstung der Fahrzeuge der Ymir befindet.
Statt der gewohnten sechs Läufe einer Gatling sehe ich einen einzigen dicken
Zylinder ohne Mündung. Irgendetwas an der Spitze leuchtet kurz auf, ich sehe
Blut aus den Leibern der Soldaten spritzen, dann gehen sie zu Boden. Kein
Knall, kein Mündungsfeuer, aber doch fliegt eine Hülse nach hinten? Das müssen
Laserpatronenwaffen sein. Und die benutzt niemand auf der Ymir. Schlagartig wird mir alles klar. Das sind gar keine Ymiriten.
Das sind unbekannte Angreifer, die sich als Leute von der Ymir ausgeben. Sie
werden den Ruf des Carriers nicht...was war das?
Etwas ist gerade gegen den Container geprallt. Im nächsten
Moment sehe ich zwei metallische Klauen, die sich langsam empor quälen. Meine
Klinge beginnt zu surren, als die beiden Sägeblätter, aus denen sie besteht,
anfangen, zu rotieren. Mit einem Satz bin ich am Rand des Containers und beuge
mich herab. Ein Kampfroboter klettert an der Wand empor. Den zwei Klauen, in
denen je ein beeindruckend großes Rohr verborgen ist, und dem flachen Panzer
auf dem Rücken zu urteilen ist es eine Krabbe, ein Kampfroboter, der von Forschern
der Leviathan entwickelt wurde. Eine
der Klauen bewegt sich auf mich zu. Sofort lege ich mich flach auf den Boden,
strecke die Klinge nach unten und sehe den Funken zu, die aus dem Metall
fliegen, als sich meine Waffe mit einem hungrigen Kreischen in den Roboterarm
bohrt. Im nächsten Moment fällt die Klaue zu Boden. Gerade rechtzeitig, denn
der andere Arm des Roboters hat mich derweil erfasst. Ich kann meinen Kopf
gerade rechtzeitig aus der Schussbahn nehmen, und eine Salve Projektile jagt in
den Himmel, jedes verursacht einen kurzen Luftzug an meinen Haaren. Sofort
reift in mir ein Plan. Mein Hirn will gerade protestieren, aber ich gebe ihm
nicht genug Zeit dafür, sondern rolle mich über den Rand des Containers. Es ist
eine Punktlandung. Ich lande direkt auf der Sensorscheibe des Roboters.
Normalerweise zeigt sie nach vorne und ist sie durch den Panzer nach oben hin
abgeschirmt, doch da der Roboter senkrecht steht, zeigen die Sensoren zum
Himmel. Nun, da ich auf ihnen stehe, sind sie blockiert. Ich hocke mich hin,
hebe die Klinge hoch, dann stoße ich sie mitten in die Scheibe und blende das
Ding somit. Zur Sicherheit schlage ich auch noch den zweiten Waffenarm ab. Dann
springe ich vom Container. Es wird Zeit, aktiv in den Kampf einzugreifen. Ich
nehme die beiden Waffen der gefallenen Leviathan-Soldaten an mich. Naja,
eigentlich eine, aber ich nehme die Munition der anderen Waffe auch mit. Sicher
ist sicher. Vorsichtig bewege ich mich entlang der Container, stets darauf
bedacht, alles zu erschießen, was sich bewegt. Egal, ob es zur Leviathan oder zu den unbekannten
Angreifern gehört. Ich werde den Carrier wahrscheinlich sowieso nicht lebend
verlassen, also nehme ich möglichst viele Feinde mit, bevor es mich erwischt.
Ein Soldat von der Leviathan kommt hinter der Deckung hervor. Ich reiße
instinktiv mein Gewhr hoch, und im nächsten Moment erscheint ein roter Fleck
auf der Brust meines Gegners, der sogleich durch ein blutiges Loch ersetzt
wird. Ich knurre angewidert. Also habe ich eine Laserpatronenwaffe erwischt.
Verdammt. Ich konnte diese Geräte nie ausstehen. Sie überhitzen mir zu schnell.
Auf einmal fällt mein Blick auf einen silbrigen Gegenstand, der am Gürtel des
toten Soldaten befestigt ist. Mit einem Grinsen hebe ich die Armbrust auf. Dann
bemerke ich einen Wolf in einiger Ferne, der gerade Infanteristen
niederschießt. Der Schütze hat mir den Rücken zugedreht. Perfekt. Ich reiße die
Armbrust hoch, ziele kurz und schieße dann. Zu meiner Überraschung zieht der
Pfeil ein Seil hinter sich her. Sofort, als er sich ins Fleisch des
Ahnungslosen gebohrt hat, aktiviert sich der Rückspulmodus, der normalerweise
dazu gedacht ist, den Benutzer zum Beispiel an Wänden emporzuziehen. Da der
Enterhaken nun jedoch nur unzureichend Halt gefunden hat, kommt nun die zweite
Funktion des Rückspulmechanismus zum Einsatz. Er holt den Haken wieder ein.
Mitsamt der Wirbelsäule des Gegners, denn die Greifhaken haben sich offenbar
tiefer in sein Fleisch gebohrt, als ich angenommen habe. Sofort lasse ich den
Haken los, denn ich möchte nicht sterben, indem ich von einer fremden,
abgetrennten Wirbelsäule erschlagen werde. Der Knochen fällt zu Boden. Ich atme
erleichtert auf und halte Inne. Es sind keine Kampfgeräusche zu hören, der
Angriff wurde also zurückgeschlagen…die Wand aus Feuer kommt völlig
überraschend. Sofort weiche ich einen Schritt zurück und schaue mich nach dem
Ursprung um. Schnell werde ich fündig. Eine Krabbe steht auf einem der
Container, den Panzer hat sie aufgeklappt und somit vier rohre enthüllt.
Raketenwerfer. „Keine Bewegung!“, ruft plötzlich jemand und ehe ich mich
versehe, bin ich von Soldaten umstellt. Im nächsten Moment hört meine Waffe auf
zu surren. Als ich meine Hand anschaue stelle ich fest, dass ich nur noch den
Griff in der Hand halte. Der Rest wurde mir wohl von einem Laser weggeschossen.
Zwei der Soldaten treten kurz zur Seite und machen Platz für Hiob und Jonathan.
Violet folgt ihnen in einigem Abstand. Ich kann sehen, dass Jonathans Augen vor
Wut brennen.
„Was zum Teufel sollte das?“, brüllt er mir entgegen,
während er sich mit schnellen Schritten auf mich zu bewegt. Ich knacke mit
meinen Fingerknöcheln. Wenn er einen Kampf will, soll er ihn kriegen. Aber
vorher wird er die Wahrheit erfahren.
„Das waren wir nicht! Niemand von der Ymir benutzt Laserpatronen!“
„Und niemand außer der Ymir
besitzt Wölfe!“, erwidert Jonathan. Niemand außer die unzähligen Nomadenstämme,
denen wir diese Fahrzeuge ebenfalls verkauft haben. Aber davon sollte niemand
etwas wissen. Natürlich! Jetzt macht alles einen Sinn. Einer dieser
Nomadenstämme war anscheinend eine Söldnergruppe, die diese Fahrzeuge
aufgerüstet hat und sich nun als Ymiriten ausgibt.
„Was eben passiert ist, ist ein Akt grundloser Aggression
gegen einen Carrier. Und das während einer Verhandlung. Wir werden unsere
Truppen in Alarmbereitschaft versetzen und jeglichen Kontakt mit ihrem Carrier
beenden!“, sagt Jonathan, dann dreht er sich um und geht.
Hiob baut sich vor mir auf, ein überlegenes Grinsen umspielt
seine Lippen. Sofort wird mir alles klar.
„Du weißt, dass das keine Ymiriten sind, oder?“, flüstere
ich entsetzt.
Er nickt.
„Natürlich weiß ich das!“, sagt er, und im nächsten Moment
sehe ich in den Lauf einer Waffe.