Wednesday, May 30, 2012

Assange and the world of tomorrow


Traurige Nachrichten, Freunde.

Julian Assange, Gründer und Gesicht von Wikileaks, wird nach Schweden ausgeliefert, wo ihm vorgeworfen wird, zwei Frauen vergewaltigt zu haben (die Schweden fassen den Begriff „Vergewaltigung“ etwas weiter, als der Rest der Welt, und sind auch mit der Bestrafung etwas konsequenter). Zuvor hat er über 500 Tage unter Hausarrest verbracht, während über seine Abschiebung verhandelt wurde.
Interessant ist, dass die schwedische Staatsanwaltschaft wohl die Möglichkeit hatte, nach Großbritannien zu fliegen, um Assange vor Ort in der Villa zu verhören, in der er gefangen war. Sie haben das Recht nicht genutzt. Außerdem macht mich die Tatsache stutzig, wie viele Ungereimtheiten Wikileaks über den Fall zu Tage fördert.
Ich befürchte, dass sich kurz nach Assanges Eintreffen die USA für ihn interessieren werden und eine Auslieferung in die Staaten verlangen werden, wo der Mann so etwas wie der Staatsfeind Nr. 1 ist und ihm so nette Sachen wie z.B. Spionage vorgeworfen werden. Auf ihn warten also in jedem Fall schwierige Zeiten.

Aber eigentlich interessiert mich diese ganze Story aus einem anderen Grund. „The World Tomorrow“, eine von ihm moderierte Fernsehsendung, wird wahrscheinlich abgesetzt, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie er in seiner Zelle Gäste empfangen will.
Aber was ist „The World Tomorrow“ überhaupt? Im Prinzip nichts als ein Interview, das zwischen Assange und einem ausgewählten Gast durchgeführt wird, wobei dieser Gast entweder neben Assange sitzt, oder per Webcam zugeschaltet wird.
Auf die Gästeliste möchte ich gesondert eingehen. Zwei Präsidenten, ein Anführer einer „Terrorbewegung“, zwei Revolutionäre, von denen einer per Haftbefehl gesucht wird und ein Anderer ebenfalls unter Hausarrest steht...soll ich weiter machen? Mir fällt keine Show ein, die ein ähnliches Aufgebot hat. Höchstens „Frost over the World“ von David Frost, aber der Mann ist auch so etwas wie der Gott des Journalismus, berühmt geworden durch die legendären Interviews mit Richard Nixon, und seine Show läuft mehrere Jahre. Die Sendung von Assange hat sieben Folgen.
Aber auch Assange als Interviewer ist eine Bemerkung wert. Schließlich ist er, soweit ich weiß, kein Journalist. Aber er hat einiges durchgemacht und ist schon mehrfach, zumteil mit einer feindseligen Grundhaltung, interviewt worden und weiß daher, wie man so ein Gespräch neutral hält und wie man die richtigen Fragen stellt. Das kriegt er gut hin. Er lässt die Gäste erzählen, wenn mehrere Personen da sind, dann lässt er sie untereinander diskutieren und übernimmt nur die Rolle eines Streitschlichters, falls es ausartet.
Die Tatsache, dass er nicht für jemanden, einen Fernsehsender zum Beispiel, arbeitet, hilft ihm auch und verleiht ihm noch mehr Kredibilität in seiner Rolle als neutrale Partei. Das schlägt sich auch in der Gästeliste nieder. Mir fällt nämlich kein westlicher Journalist ein, der es geschafft hat, Hassan Nazrallah zu interviewen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Tatsache, dass die Interviews vollständig gesendet werden. Es wird nichts herausgeschnitten oder gekürzt.
Das Beste an der Sendung ist trotzdem der Informationsgehalt. Man erfährt unglaublich viel Neues, sowohl über Themen, die in der Vergangenheit von den Medien reichlich abgedeckt wurden und nun aus dem Blickfeld verschwunden sind, etwa die aktuelle Situation in Ägypten, wo die Revolution noch lange nicht vorbei ist, aktuell medienpräsente Themen, etwa die sich anbahnende Revolution in Bahrain, als auch über Themen, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekommt. Oder kann mir jemand die besondere Situation der Medien in Euquador schildern?
Bei all dem Lob gibt es doch einige Kleinigkeiten zu bemängeln. Zum einen die Kürze. Ab und an wirken die jeweils halbstündigen Interviews wie langgezogene Trailer, die dem Zuschauer die Sendung bloß schmackhaft machen und ihn auf ein acht oder neunstündiges (ich übertreibe leicht) Interview vorbereiten sollen. Andererseits interviewt er ja, wie oben bereits gesagt, auch Präsidenten, deren Zeit mit Sicherheit knapp bemessen ist. Desweiteren fällt mir auf, dass sich fast alle seine Gäste negativ über die USA oder deren Politik äußern. Ich will Julian Assange nichts unterstellen, aber mich beschleicht der Verdacht, dass er diese Sendung als Bühne für weitere Konfrontationen und Provokationen gegenüber den USA missbraucht. Mich als Zuschauer stört das nicht, es ist bloß schade, wenn er seine Gästeliste nach diesem Gesichtspunkt („möglichst US-kritisch“) auswählt und somit durchaus interessante, aber den Staaten wohlwollend gesinnte Personen nicht einlädt.

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