Wednesday, May 23, 2012

Mondscheinbrüder


Ich muss euch etwas beichten. Heute lief bei mir in der Wohnung den ganzen Tag Volksmusik und wird wahrscheinlich auch (zum Leidwesen meiner Nachbarn) die nächsten Tage laufen. Nein, ich habe keinen Hitzschlag, obwohl der bei den aktuellen Temperaturen vermutlich nicht lange auf sich warten lassen wird. Meine Oma ist auch nicht zu Besuch. Aber eigentlich rede ich auch nicht von „klassischer“ Volksmusik, also von den Sendungen auf ARD wo regelmäßig 5-10% aller Zuschauer bei wegsterben. Nein, ich rede von Kellerkommando, einer wunderbaren Band. Genauer gesagt rede ich von deren zweiter EP „Mondscheinbrüder“, die am 18.05. erschienen ist.

Wer sich in der Materie auskennt, wird bereits im Titel eine Anspielung auf ein schwäbisches Volkslied erkennen. Dieses Lied, so wie drei Andere, wurde von den Bandmitgliedern zum Teil mit alten Refrains neu vertont und mit einer wunderbar abgestimmten Mischung aus Instrumenten und digital erstellten Klängen versehen. Zwischen den äußerst einprägsamen und ohrwurmgefährdeten Hooks singt ein Mann in grauenhaftem fränkischen Akzent Texte, die sowohl exzessives Party machen und „Weiber abschleppen“, als auch Gesellschaftskritik behandeln. So sind unter Anderem Seitenhiebe auf zu dünne weibliche Schönheitsideale und die Überwachungspolitik der Regierung enthalten. Unterstützt wird der fränkische Sänger von einem Rapper, wodurch in einigen Liedern ein gewisser Gegensatz zwischen der „alten“ Volksmusik und dem „neuen“ Hip Hop entsteht.
Vielleicht ist es dieser Gegensatz, vielleicht aber auch die klangvollen Beats oder der Inhalt der Texte, jedenfalls ist diese EP ein einziger kleiner Stimmungsmacher, und darf auf keiner Party fehlen.
Natürlich wird sich dieser Wunsch wegen der gewaltigen Vorbehalte gegenüber Volksmusik (auch wenn die Bandmitglieder alle unter 30 sind) nicht durchsetzen, aber ich kenne die Wahrheit: Ich habe Kellerkommando auf einem Konzert in Leipzig gesehen (ich berichtete...glaube ich zumindest) und weiß, dass sie dort den ganzen Saal zum Beben gebracht haben.
Was mich auch zur Kritik bringt: Wieso nur sechs Lieder? Klar ist jedes Einzelne von denen überragend gut, aber bei besagtem Konzert wurden mindestens doppelt so viele Stücke gespielt. Andererseits weiß ich nun, dass Kellerkommando noch genug Stoff für andere, hoffentlich größere Releases hat.
Außerdem habe ich auf dieser EP Schokk vermisst, einen meiner Lieblingsrapper. Zwar hat die Band eine würdige Vertretung gefunden und ich vermute, dass Schokk zu dem Zeitpunkt, wo die EP aufgenommen wurde, in Russland war und dort einige Solo-Konzerte veranstaltet hat (ich berichtete), aber ohne ihn ist Kellerkommando bloß ein Kellerkomman. Etwas fehlt.

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